Miguel Molto English

Lieblings-Trattoria

Sardinien empfängt uns mit einer noch milchigen Morgensonne und wir falten uns in den gemieteten Fiat Punto, um unser Hotel kurvenreich anzusteuern. Der erste Gang durchs Örtchen Villasimius ist langsam. Unglaublich langsam. Schön langsam.

Piano!

Das Geplauder der Hausfrauen auf dem Bürgersteig ist italienische Oper in den Ohren, die Palmwedel winken mir ganz persönlich zu, die Sonne wärmt angenehm den Nacken und der Wind zauselt sofort eine Urlaubsfrisur.

Molto bene!

 

Hier kommt der Genuss
Wir steuern die Trattoria in der Ortsmitte, die für den Rest des Urlaubs gleich die Lieblingstrattoria bleibt, für einen ersten Cappuccino an.

Bravo.

Mit dem Ober verständigt man sich mit Handzeichen und Spanisch. Englisch ist hier nicht. Braucht man nicht. Wozu hat der Mensch Hände und eine ausgeprägte Mimik?

 

Im Tante-Emma-Laden allerdings wird es dann doch was knifflig. Der durstige Tourist kauft Wasser (con gaz, da hilft das Spanisch wieder) und sieht sich einem hölzernen Regal voller einladender Weinflaschen gegenüber. Naturalemente! Ein Wein zum Sonnenuntergang ist ein Muss im Urlaub.

 

Öffner. Was heißt Öffner auf Italienisch? Auf Spanisch? Keinen blassen Schimmer.

Non ho capito.

 

Einmal pro Woche kommt Luigi mit dem Laster
Ich gebe mein Bestes, ahme das Öffnen des Weins nach, intoniere „Plopp-plopp“ und anschließend „Gluck-gluck.“ Die Verkäuferin guckt interessiert. Das hilft nicht wirklich. Sie ruft „La Mama“, die wiederum „La Nonna“ ruft.

 

Alle kommen aus sämtlichen Ecken des Minimarktes herbei. Ich lege mich noch mehr ins Zeug, schlucke, gluckse, schraube, ziehe in die Luft, ploppe und mache „Ah!“ Alle gucken. Ratlos. Der Raum ist gefüllt mit Fragezeichen bis plötzlich La Nonna den rechten Zeigefinger in die Luft schießt und ruft „Miguel, ah, si, subito!“

 

Auf der Piazza hat man Zeit, als 100-jähriger sowieso
Grazie a Dio!

 

Oma, Mutter und Enkeltochter bilden eine Kette durch den Laden und vorbei an Pasta, Pomodori, Pecorino und Pollo setzt sich in Wellen der Ruf „Miguel, pronto, pronto“ fort.

 

Langsam teilt sich ein dunkelgrüner, schon recht verschlissener Vorhang in der hintersten Ecke des langgezogenen Raums. Heraus tritt ein baumlanger, etwas pickeliger Jüngling und schlurft vorbei an Biscotti und Bananas. Von den weiblichen Familienmitgliedern wird er mit Anfeuerungsrufen und ausholenden Handbewegungen in unsere Richtung bugsiert. Er bleibt vor uns stehen, während sich die Damenmannschaft um uns formiert.

 

Auftritt Miguel!
TukTuk

Die Großmutter schaut uns begeistert an und präsentiert mit nach oben gerichteten Handflächen und einem breiten Grinsen: „Ecco mio Miguel. Miguel, molto English!“

Sehr schön, ein englischsprechender Italiener mir spanischem Vornamen. Wir sind genauso begeistert wie La Nonna. Unsere Frage nach einem Weinöffner beantwortet das hoch aufgeschossene Sprachwunder mit einem ebenso lapidaren wie klaren „No!“, dreht sich um und schlurft zurück hinter den Vorhang.

 

Abgang Miguel Molto English.

 

Nun denn, der Wein wandert zurück ins Regal. Wir lassen uns noch ein Gesöff von La Mama in einer Plastikflasche für 4,50 € andrehen, das sich später als selbstgebrannter Hirnzellenvernichter erweist und fahren von dannen.

 

Aber egal. Miguel Molto English wird uns in Erinnerung bleiben!

Ciao giovincello!

 

Text und Fotos: ©Andrea Steffen

 

Samstagsmarkt in Villasimius

Ankommen

Hoteleingang

Das passiert mir zum ersten Mal und ich bin einfach überwältigt. Ich bin kein besonders kritischer Mensch, was Äußerlichkeiten angeht, kann auch Kleinigkeiten im Leben viel abgewinnen. Ein Ei, das nicht weich gekocht ist. Na ja. Ein Handtuch, das mal nicht ausgetauscht wird, kein Problem. Der Liegestuhl, der sich nicht flach stellen lässt. Es gibt Schlimmeres. Und die Kakerlake, die abends vorbeischaut. Im Süden ist das halt so.

Aber dieses Mal ist es anders. Es stimmt einfach alles. Zu einhundert Prozent.

Alter Baumbestand, wohin man blickt
„Borgo Rondo Luna“ heißt einer der Wege, die sich geschlungen im Auf und Ab durch die Hotelanlage schlängeln. Am Ende gibt er die Sicht frei auf eine üppige Gartenlandschaft. Da hat jemand mitgedacht. Hier wurde um die Natur drum herum gebaut anstatt umgekehrt.
Alter Baumbestand verwandelt den sorgfältig gestutzten und gepflegten Rasen in eine schattige Liegefläche. Hierhin rückt man einfach von der eigenen kleinen Terasse die Liegestühle, klappt die Lehne zurück und hält eine Mittagssiesta zum Bass der im Oleander- oder Quittenbaum brummenden Hummeln.

Weiß gekalkte Bungalows mit tönernden Dachziegeln
Die Terrasse ist nicht nur Refugium für die hauseigenen Eidechsen, sondern besonders am späten Nachmittag ein herrlich schattiges Lesestübchen. Das Korbtischen beherbergt neben Tagebuch und Stift auch einen leckeren Latte Macchiato. Das könnte man im Prinzip auch zuhause haben. Aber nicht wie er einem hier serviert wird. Mit Schoko-Sirupmuster und die dazu gereichten drei verschiedenen Zuckerarten in einem kleinen eckigen Schälchen mit bunten Blumenmustern. So schön!

 

Ich lege meine Beine auf den extra flachen Findling am Terrassenrand, halte die Zehen in die Sonne, wackel damit Schattenspiele an die massive Steinmauer aus Granit und kann gar nicht genug kriegen von der Ruhe um mich rum.

 

Morgendliche Ruhe am Pool
Kein Animations-Jingle schreckt den späten Frühstücksgast am Morgen, keine englischen Charts plärren über die Poollandschaft. Statt dessen wiegt sich die Bougainvillea sacht im Wind.

Das ganze Hotelinterieur ist von einer unaufdringlichen Art und Weise mit sardischen Motiven möbliert. Hier eine große Couch aus Korbgeflecht mit bequemen, farblich aufeinander abgestimmten Kissen, da eine der hier üblichen Lichtkugeln, weiter hinten eine Säule, deren Lasur vom bordeaux langsam ins fliederfarbene driftet, auf dem Boden handgefertigte Teppiche aus der Region.

Abendliche American Bar

Kleine Wegweiser, die Männlein und Weiblein zeigen, weisen den Weg in die Umkleide am Pool. Das 4-gängige Abendmenü begleiten schwere Leinenservietten und funkelndes Kristall. Die Speisen sind von hervorragender Güte und Frische. Ich schlemme mich durch das komplette sardische Mittelmeer und die Fülle italienischer Desserts. Köstlich!

Jeder noch so kleine Wunsch wird dem Gast erfüllt und es zählt das Wie! Mit einem Lächeln, das nicht beflissen, sondern ehrlich ist, mit einem herzhaften Buongiorno und sogar mit einem geschriebenen, geblümten Gruß bedanken sich die Zimmermädchen für ein kleines Trinkgeld.
Italienische Keramik im Bad
Alles atmet Schönheit, Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Liebe zum Detail und gelassene Stille. Ich bin hingerissen von diesem Ort! Es fühlt sich an wie nicht gesucht und doch gefunden, ein absoluter Glückstreffer dank guter Beratung durch Britta. Das Bemühen es den Gästen gutgehen zu lassen, ist greifbar.

 

Es fällt so leicht an diesem wunderschönen Ort einfach zu sein, ohne Ansprüche, loszulassen und gleichzeitig anzukommen.
Pool am Abend

Ankommen, aufatmen, dableiben, entspannen, genießen, ausruhen, abschalten. Und wiederkommen.

Unbedingt!

Text und Fotos:
©Andrea Steffen

Meine wahre Berufung

Angelina

Ich bin keine Eidechsenflüsterin. Definitiv nicht. So viel steht fest. 

Nicht, dass es nicht versucht hätte. Aber … ich bin keine.  
Auf der Terrasse unseres sardischen Refugiums für eine Woche leben zwei. Ich nenne sie mal Angelina. Braun, schlank und schnell. Und Brad. Grünbraun, größer, kräftiger und noch schneller. Sie sonnen sich, abwechselnd auf den großen Findlingen rund um die Terrasse, auf den Fliesen der Terrasse und dem Mauerwerk, das die Terrasse einfasst.
Suchbild mit Echse
Aber sie sonnen sich nicht lange. Sobald ich nämlich auftauche, vor allem mit der Kamera im Schwenk, zischen sie ab. Sie verpieseln sich in die Mauerritzen, flitzen drin rum und lugen an der anderen Ecke frech wieder raus. Sie blinzeln mir zu. Ätsch! So viel versteht sogar eine Nicht-Eidechsenflüsterin.

 

Ich wispere „calmo, calmo“ in der Annahme, dass sie nur Italienisch verstehen. Aber nichts da. Die doofen Viecher verstehen gar nichts, huschen Schutz suchend ins nächste Gebüsch und halten mich für einen großen, gefährlichen Vogel. 
 
Brad (auf der Suche nach Angelina)
Ich bin kein großer und gefährlicher Vogel. Ich kann ja noch nicht mal fliegen. Aber das kapieren sie einfach nicht, die Einfaltspinsel, ziehen den Bauch ein und quetschen sich flink zwischen die nahegelegenen Steinhaufen. Vorher aber strecken sie mir noch frech die gespaltene Zunge raus. Drei Mal! Jede von ihnen! 

 

Irgendwann lege ich mich auf die Lauer mit der Linse im Anschlag, sende so viele good vibrations aus wie möglich. Und vielleicht ist genau das das Problem. Auf vibrations reagieren sie höchst empfindlich. Ich versuche eine andere Taktik. Ich wende den Kopf nach links, schiele nach rechts und kriege fast eine Genickstarre, dafür aber ein straffes Kinn. Bilde ich mir zumindest ein. Wer nicht auftaucht, sind Angelina und Brad. Nichts zu machen. 
Palme ohne Vögel
Na gut, dann eben die Vögel fotografieren. Die sind auch unsichtbar, dafür aber laut. Sie bevölkern die höchste Palme am Pool, zetern, zwischtern, tschilpen, flöten, fiedern, turteln und flattern was das Zeug hält. Italiener halt. Es geht hoch her in der Palme. Ich nähere mich barfüßig schleichend mit dem nach oben gerichteten Tele. Mit einem Schlag verstummt die Bande und als hätte ich die Palme mit einem Schrotgewehr beschossen, stürzen sich sämtliche Federlinge in einer spontanen Gruppendynamik, die nach geübter Choreografie aussieht, kopfüber in den nächsten Oleanderbaum, wo es – in sicherem Abstand zu der Frau mit dem Telegewehr – munter von vorne losgeht. Und das mir als Pazifistin! Ich schleiche mich wieder an. Dieses Mal stieben sie sternförmig auseinander und landen – genau – in der größten Palme. Das Spiel hätte so weitergehen können, wenn meine Aufmerksamkeit nicht von anderem Getier angezogen worden wäre. 
Biene im Korallenbaum
Es summt und brummt nämlich nur so durch den Hotelgarten. Die Bienen lassen sich nicht ablichten, die Hummeln sind auch erstaunlich flink, besitzen im Gegensatz zu den deutschen einen unheimlich langen Rüssel und tauchen tief in die schnabelförmigen Blüten der Strelitzien. Hinterteile alleine will ich nicht. Ich will die ganze schöne Hummelpracht. Die Schmetterlinge taumeln nektartrunken durch den Hibiskus und legen ganz plötzlich eine Art Turbo ein, als ich mich nähere. Ich fasse es nicht. Kein sardisches noch so kleines Viech will sich von mir ablichten lassen.
Gesumme in der Strelitzie
Und den Igel, der plötzlich nachts auf unserer Terrasse auftaucht und die Eidechsenschlafstätte erstaunlich leichtfüßig umtrippelt, mag ich mit meinem Blitzlicht nicht verscheuchen. Selbst die Ziegen hört man lediglich und sieht sie nicht. Mit ihrem Gemecker und ihren Glocken läuten sie den späten Nachmittag ein. Die Berge werfen die dunklen Glockentöne zurück ins Tal und man glaubt sich inmitten der Herde. Zu sehen sind aber nur kleine weiße Flecke, die sich am grünen Berghang im Zickzack entlang bewegen. 

 

Läuse am Hibiskus-Stempel
Und dann schaffe ich es doch noch. Ich kriege einen schlafenden Hund vor die Linse und durch Zufall beim Ablichten von Blättern im Gegenlicht eine Schwebwespe und Läuse auf einer Hibiskusblüte. 

 

Wundervoll! 17 Tiere in 7 Tagen! 
Und dann noch die Mücken. Die kommen immer zu mir. Nachts und auch tagsüber. Wer mit mir reist, braucht keinen Mückenschutz. Der Beweis reiht sich in Perlenkettenform über die hintere Seite des linken Oberschenkels. 
Schwebfliege auf Klettertour

 

Ich habe meinen Beruf verfehlt. Meine wirkliche Berufung liegt im Lockruf von Mücken. Ich bin eine nonverbale Mückenflüsterin. 
Man kann mich buchen! Ab sofort! Am besten für eine Reise nach Sardinien!

 

Text und Fotos: ©Andrea Steffen

 

Shades of Gray

 

 

 

Liebe Leute! Schatten von Grau breiteten sich flächig über mein Cerebrum, nachdem ich den ersten – und um es gleich zu sagen für mich auch letzten – Band dieser Trilogie durch hatte. Und ich frage mich seitdem, wie dieses Buch es in die Bestsellerlisten aller Länder außer Nordkorea, Saudi Arabien und Afghanistan geschafft hat? 

 

Ist es die reine Neugier, Voyeurismus, überbewertete Rezensionen oder bloß der beständige Griff zu einem Buch mit einem Weltbestseller-Aufkleber? Ich weiß es nicht! 

 

Das Buch war ein Geschenk, ein lieb gemeintes Geschenk. Ein bisschen An- und Aufregung kann ja nicht schaden! Und ich gebe zu, dass ich die über 600 Seiten nach zwei Tagen durchhatte. Was mich trieb? Jedenfalls keine Triebhaftigkeit im natürlichen Sinne, sondern der naive Glaube, dass die Story vielleicht doch noch erstaunliche Entwicklungen, gar Überraschungen bereithält. Mein Fehler, doch immer wieder an das Gute zu glauben.
 

Die Erzählung ist ebenso simple wie uralt: Die 21-jährige Jungfrau (hä?) Anastasia trifft steinreichen, also Milliardenschweren, überirdisch schönen Prinzen namens Christian. Natürlich ist sie absolut fasziniert von ihm und gibt sich ihm ebenso selbstverständlich hin. Dass er dabei nicht gerade zartbesaitet vorgeht, soll dem Ganzen sicherlich Würze verleihen. Also mal ehrlich? Welche Frau stellt sich ihre Entjungferung gerne brutal vor? 

 

Die Beziehung, wenn man es als solche wirklich bezeichnen will, liest sich wie ein Teenagertagebuch. „Ich will Dich, aber Du kannst mich ja nicht lieben, weil Du nicht wirklich lieben kannst. Ach Gottchen, wer weiß, was da Schlimmes in Deinem Leben passiert ist, Liebster, aber ich werde Dich mit meiner ach so reinen Liebe heilen.“ 

 

Dazwischen geht’s natürlich zur Sache, aber nicht etwa erotisch, sondern entweder mit dem, was die Autorin für Blümchensex hält oder in Sado-Maso-Manier. Das ist besonders glaubhaft, weil wir es hier mit einem in der Liebe vollkommen unbescholtenen Alabasterwesen zu tun haben. Wo gibt’s denn sowas? Das ist Groschenheftniveau. 

 

Irgendwann hört man auf die Höhepunkte zu zählen, so zahlreich und in allen erdenklichen Stellungen erfolgen sie. Und nicht nur das. Da wird jedes Mal wie wild explodiert. Alle Achtung! Dazu eine Sprache der Autorin, die leider allzu brav und amerikanisch-prüde (ich weiß, sie ist Britin) daher kommt. Oder warum bezeichnet das angebliche Sado-Maso-Luder seine lustvollen Körperregionen mit altbacken und verklemmt anmutendem Vokabular wie „Unterleib, da unten, wo die Beine aufhören und Körpermitte“? Vermutlich deshalb, weil der inzwischen nicht mehr jungfräulichen Ana im Laufe des Romans gut 50 Mal die Kinnlade runterfällt, sie unter Kieferstarre leidet und somit nicht in der Lage ist sich anderweitig zu artikulieren.

Ständig ist sie außerdem damit beschäftigt rot zu werden, wahlweise feuerrot, puterrot, dunkelrot. Wie wäre es denn mal mit samtrot? Dazu werden andauernd die Augen gerollt, was aber zur Folge hat, dass Ana dann ganz, ganz böse von ihrem Sklavendompteur bestraft werden muss. Und dann dieser Quatsch mit der „inneren Göttin“. Also ich kenne nur innere Organe.

 

Mit anderen Worten … der Roman ist schlecht geschrieben und genauso schlecht lektoriert. Alleine der Thesaurus von Word hätte nützliche Dienste erwiesen. Es gibt mitunter sogar Sätze, die fast identisch zwei Seiten aufeinander folgen. Irgendwann beschloss ich, die nächste Seite heraus zu reißen, wenn ich noch ein weiteres Mal den Ausdruck „postkoital zerrauftes Haar“ lese. Hätte ich das wirklich getan, wäre das Buch nur noch halb so dick.  

 

Um es ganz klar zu machen: Die Story könnte vielleicht sogar reizvoll sein, wenn sie auf zwei reifen Sexualcharakteren aufbauen würde, die gemeinsam auf Entdeckungstour gehen und dabei ganz neue Spielwiesen erobern. Was an diesem Buch aber erotisch sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist plakativ und eindimensional. Es lässt keinen Spielraum für die eigene Fantasie und wie jeder weiß, beginnt guter Sex erst mal im Kopf. Alleine weil ich unliebsame negative Auswirkungen auf ebendiese zerebralen Funktionen fürchtete, habe ich mir die weiteren Bände gespart. 

 

Was die enormen Verkaufszahlen angeht, da stelle ich mir mittlerweile die Frage, ob ich mich für so manche Geschlechtsgenossin nicht doch fremdschämen muss. Kann es vielleicht sein, dass es so vielen Frauen gefällt sich einem Mann dermaßen zu unterwerfen, dass er entscheidet welches Kleid sie tragen, welches Auto sie fahren und wann sie austreten dürfen? Finden wirklich so viele Frauen die Aussicht auf ein devotes Dasein als schmückendes und wortloses Beistelltischen aber dafür mit inkludierter Herdprämie attraktiv?  

 

Ach so, wer den ersten Band preiswert erwerben möchte – natürlich nur, um sich selbst ein Bild zu machen -, kann sich an momox.de wenden. Da bin ich ihn soeben losgeworden, ganz ohne Reitgerte, nur mit der fingerfertigen Kunst kleiner lasziver Handbewegungen :-). 

 

©Andrea Steffen

 

 

Wäscheleinenzettelwirtschaft

 

Es gibt Lebensphasen, in denen man die Dinge laufen lassen muss. Da hat man keinen Einfluss. Man muss warten. Und darin bin ich schon besser als früher, aber trotzdem nicht besonders gut, im Warten und im Zusehen, was passiert. Das schreit bei mir nach Kompensation. Wenigstens das ein oder andere will ich dann ordnen, kontrollieren; Bereiche übersichtlich, planbar machen. Also räume ich auf, miste aus und was dann dabei oft zutage kommt, versüßt mir die Warterei. Das sind alte Fotos, abgerissene Eintrittskarten, ein lange schon eingelöster Gutschein, eine Sonnenbrille von dazumal, die schon wieder modern ist. In einer Schublade fand ich einen Haufen bunter, quadratischer Blätter, handbeschrieben. 

 

Unser alljährliches Nachbarschaftsfest stand an und diese Zettelwirtschaft hing seinerzeit an einer langen Wäscheleine, gespannt zwischen zwei Straßenlaternen. Jeder, der was zu sagen hatte, konnte sich hier verewigen. 

 

„Auf die inneren Werte kommt es an. Blutdruck! Cholesterinspiegel!“ ist da zu lesen.

Auf einem pinken Zettel steht „Anleitung für eine Quarzuhr: Wenn alles richtig eingeseselli isluruchum Sie S2 bis Slunen und Miramun mii blindernellen Cappalunki arschetuen.“ Da ist noch ein rosa Quadrat mit folgendem Satz „Der Verstand kann uns sagen, was wir unterlassen sollen! Das Herz kann uns sagen, was wir tun müssen.“ Darunter ein Krakkel-Smiley, Herzchen und vom Sekt arg verkorkste Blümchen. Kommt mir bekannt vor ;-)). 

Die rosa Papierchen waren wohl am beliebtesten. Auf einem anderen steht „Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso.“ Stimmt genau! Haribo darf auf Nachbarschaftstreffen nie fehlen. Auf einem grünen Zettel lese ich „Mein wahrscheinlich letztes Straßenfest mit Euch, denn nächsten Sommer werde ich woanders wohnen.“  

 

Ich selbst habe u.a. geschrieben: „Wir wünschen uns, dass das nächste Straßenfest von jemand anderem organisiert wird. Ganz lieben Gruß M. & A.“ Was soll ich sagen? Nicht alle Wünsche gehen in Erfüllung. Die Jugendlichen haben überwiegend Sprüche geklopft wie „1. Du liest. 2. Das Blatt ist lila. 4. Du hast nicht bemerkt, dass 3. fehlt. 5. Du bist ein Idiot.“ 

 

Zu fortgeschrittener Stunde kam dann auch Philosophisches dazu, allerdings aufgrund des ebenso fortgeschrittenen Alkoholkonsums in mitunter unorthodoxer Grammatik. „Nur wer begriffen hat, dass lieben wichtiger ist, als geliebt werden ergibt sich das Geliebtsein ganz von selbst.“ Der Wille zählt und die Aussage ist schön! 

 

„Für die Menschen ist wichtig, was sie mit den Augen wahrnehmen; ich aber schaue jedem Menschen ins Herz.“ Liest sich wie ein Psalm und ich könnte mir vorstellen, wer das geschrieben hat. 

 

Ich blättere die bunten Bögen durch, versuche den ein oder anderen Spruch einer Person zuzuordnen und lächle bei dem Gedanken an das Straßenfest. Das war 2009.  

 

Was aber mache ich jetzt mit diesen Andenken? Ich wollte ausmisten, also auch wegwerfen. Aber die Idee war so schön und meine Erinnerungen auch.  

 

Ich mach’s anders. Ich schreibe was drüber, denn das ist auch eine Art Dinge zu behalten, im Kopf und im Herzen. 

 

@Andrea Steffen