Was Buntes braucht der Mensch!

Es gibt viele Möglichkeiten, um dem Jahresendzeitblues zu begegnen.

Lösung 1: Man mixt die ganzen Rot- und Weißweinreste von Weihnachten zusammen, kippt den Rest Rumtopf dazu, würzt das Ganze mit einer Prise Kardamon und mehr braunem Zucker als gut ist, erhitzt es und trinkt es innerhalb von 10 Minuten. Wirkt. Wirkt super. Macht aber einen Schädel.

Lösung 2: Man ergibt sich einem leidenschaftlichen Putzflash. Mit anderen Worten: man verbindet das Notwendige mit dem Nützlichen. Wirkt auch gut. Bis auf die Tatsache vielleicht, dass wenn das Kind dann die gewienerte Mikrowelle öffnet und fragt „Ist die neu?“, die hausfraulichen Kompetenzen so arg in Frage stellt werden, dass man erneut zu Lösung 1 greift.

Lösung 3: Man liest 300 Seiten Trivialliteratur innerhalb eines Tages, guckt dabei noch ein bisschen Cirque de Soleil auf Arte (als Ausgleich zur Trivialliteratur) und gönnt sich die letzte Packung „Gute Geister in Nuss“. Wirkt auch, verursacht aber Übelkeit und am nächsten Tag ein Kilo mehr auf der Waage. 
Oder aber man fährt nach Essen (kalorienfrei) und gönnt sich was Buntes, genauer gesagt die aktuelle Ausstellung des Folkwang Museums „Im Farbenrausch“. 

In elf Räumen wird der wissbegierige Besucher durch eines der spannendsten Kunstkapitel des frühen 20. Jahrhunderts geleitet. Es werden die sog. „Fauves“, die Wilden aus Frankreich den jungen Expressionisten aus Deutschland gegenüber gestellt. Künstler wie Matisse, Vlaminck und Derain entledigten sich um 1905 der üblichen „natürlichen“ Darstellung. An die „Fauves“ erinnere ich mich noch aus dem Kunstunterricht und fand ihre kühne Pinselführung und die Verfremdung durch die gewagte Farbgebung schon damals aufregend. Sie befreien sich, ihre Bilder und somit auch den Betrachter vom üblichen Sehen und wurden von Kunstkritikern als wilde Tiere bezeichnet, verrückte Farbkleckser, die ihre Träume und irren Auswüchse einer entarteten Fantasie auf die Leinwand bannten. Die Nähe zu den Impressionisten zu Anfang ihrer Arbeiten wird in der Ausstellung klar, zumal es den Kuratoren gelungen ist, die Zusammenhänge alter und neuer Maler auch dem Laien durch das Nebeneinander zu verdeutlichen.

Praktisch zeitgleich zu den französischen Künstlerkollegen entwickelte sich in Deutschland die sog. „Brücke“, eine Gruppierung von Malern, die ebenso wie die Fauves Farbe zunehmend vom Gegenstand lösten und sie zum eigenständigen Gestaltungsmotiv machten. Höchst subjektiv interpretierten sie die Natur und schufen Motive aus roten Bäumen, blauen Bergen und gelben Wiesen. Auch hier gelten die Impressionisten, allen voran van Gogh, als Initialzünder für den neuen Aufbruch zur Farbe. Die unterschiedlichen Stilmittel eines Cézanne, Gaugain oder Signac wurden von der jungen Malergeneration aufgegriffen und weiterentwickelt. Hinzu kam der Einfluss des Norwegers Edmund Munch, der sich wiederholt in Berlin, Hamburg, Chemnitz und Dresden aufhielt und dort ausstellte.

Nicht nur die Auswahl und Reihenfolge der Exponate, sondern auch der Audioguide sind den Kuratoren Sandra Gianfreda und Mario-Andreas von Lüttichau hervorragend gelungen. Er trägt maßgeblich zum Verständnis der Ausstellung bei. Ich kann die Investition von 4,- € wärmstens empfehlen.

Die Ausstellung weckt die Lust auf Kunst. Das Auge verliert sich in den Farborgien, man möchte mit den Fingern der Pinselführung folgen, am liebsten mit der Nase rotglühende Strohballen erschnuppern. Ich entdecke für mich selbst insbesondere die deutschen Expressionisten, z.B. gefällt mir die flächige Farbintensität der Bilder von Gabriele Münter (übrigens Lebensgefährtin von Wassily Kandinsky) sehr gut. Die freizügigen Akte eines Otto Müller waren seinerzeit sicherlich revolutionär, genau wie die nackten Männer am Strand von Warnemünde von Edvard Munch. Wer hätte gedacht, dass der Künstler, den jeder mit dem depressiven Bild „Der Schrei“ in Verbindung bringt, seinerzeit solch eine Vitalität und Lebensfreude empfunden hat

Info:

Im Farbenrausch
Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen
www.museum-folkwang.de

Eintritt: 15,- €/Erwachsene
Ausstellung verlängert bis 20.01.2013

Text. Andrea Steffen
Foto: Scan Eintrittskarte Museum Folkwang

2 Antworten auf „Was Buntes braucht der Mensch!“

  1. So, so ;-)). Vielleicht ziehst Du mal Lösung 2 in Betracht. Dabei finden sich mitunter die erstaunlichsten Dinge, vielleicht sogar Reste von Resten.

    Ebenso lieben Gruß und für 2013 immer eine ruhige Hand!

    Andrea

  2. Hallo Andrea, ich habe leider mit der Lösung 1 ein Problem: keine Reste!

    Lieben Gruß und einen guten Start ins neue Jahr

    Peter H. aus O.

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