Der Ehekrach

 

Zwischen zwei Zwetschgenzweigen …

 

Es war die Ruhe nach dem Sturm. Meine Welt hielt gerade inne und ich beschloss es ihr gleich zu tun. 

 

Die leichte Brise kühlte das schwarze Tuch des Trampolins auf dem ich rücklings lag und die Sonne entschied sich rauszukommen und meine Haut zu streicheln. Über mir in der Kastanie zwitscherten die Vögel und ich war drauf und dran, wegzudösen als sich die Stimmung im Baum über mir änderte. 

 

Aus dem Zwitschern wurde ein Zetern und prompt fiel ein kleiner Zweig auf meinen Bauch. Ich drehte mich auf die Seite, als ein weiterer Zweig folgte und ein Blatt hinterher segelte. Im Blätterdach wurde es zunehmend lauter und ein Ast begann verdächtig zu zittern. Das Zetern wurde schriller und in kurzen Abständen von klopfenden Geräuschen unterbrochen, die an Schnelligkeit zunahmen. Ich riskierte ein Blinzeln gegen das Licht. 

Eine noch stachelige Kastanie ploppte aufs Trampolin.

 

Alle Achtung, im Wipfel war ein mordsmäßiger Streit im Gange. In hohem Bogen flog weiteres Zeug aus dem Grün und der Lärm schwoll an. Die nahmen da oben das Nest auseinander. Aber sowas von. Ich hörte genauer hin.

Bist Du etwa gerade gegen meine Laptoptasche gerannt?“  

 

„Was heißt hier gerannt? Drüber gestolpert. Ich hätte mir alle Gräten brechen können. Dass die auch immer im Flur im Weg steht. Herrschaftszeiten!“  

 

„Das hat mit der Tasche nix zu tun, sondern bloß mit Deinen blöden Stöckelschuhen.“ 

 

„Wie bitte? Jetzt liegt es also an meinen Schuhen, dass Du tagtäglich zu faul bist Deine Laptop-Tasche wegzuräumen und jedermann fast drüberfällt.“ 

 

„Natürlich liegt das an Deinen hohen Haken. Konzipiert fürs Stolpern sozusagen.“ 

 

„Ich kann also auf den Schuhen nicht laufen. Willst Du mir das damit sagen? Ich kann also auf hohen Schuhen nicht laufen und sehe damit aus wie ein Trampel? Richtig? Nicht zu fassen! Auf Manolos schwebt man! Schon mal gehört? MANOLOS! Maaaaannnnooooloooooos!“ 

 

„Nur weil sie teuer sind, heißt das nicht, dass man auch drauf laufen kann.“ 

 

„Ach, zu teuer sind sie also auch. Was Du  nicht sagst! Ist Dir bewusst, dass ich meine Schuhe, ALLE MEINE SCHUHE, von meinem Geld bezahlen kann? Ich verdiene nämlich auch was dazu? Schon vergessen?“ 

 

Aus dem Nest über mir segelt ein wenig abgestorbenes Gras. Das passt. Ohne Moos nix los. 

 

„Wie könnte ich, wo Du doch so gestresst bist in letzter Zeit.“ 

 

„Gestresst? GESTRESST? Weißt Du, was mich stresst? Wenn jemand ganz Bestimmtes ständig seine blöde Laptoptasche in den Flur schmeißt und ich mir deswegen fast die Hacken breche.“ 

 

RUHE! Nein, STILLE! Ach was, TOTENSTILLE! 

 

Also entweder habe ich jetzt gleich eine Vogelleiche auf dem Trampolin oder die bekriegen sich wieder. 

 

„Menno!“ 

 

„Wie, menno?“ 

 

„Ist doch doof, dass wir uns wegen sowas anne Köppe kriegen!“

 

„Ja, sehr doof.“ 

 

„Aber Laptoptaschen mitten im Flur sind auch doof. Kannst Du die nicht mal wegräumen, wenn Du nach Hause kommst?“ 

 

„Aber ich brauche die doch morgens sofort wieder.“ 

 

„Aber in der Zwischenzeit wäre es schön, wenn Du sie wenigstens an die Seite stellst.“ 

 

„Na gut, wenn Dir das so wichtig ist.“ 

 

„Ist es!“ 

 

„Mir auch!“ 

 

„Was???“ 

 

„Du!“ 

 

„Oh.“

 

„Und übrigens, diese Manolos, die sind schon schick.“ 

 

„Ach ja?“ 

 

„Und sie stehen Dir gut.“ 

 

„Wirklich?“ 

 

„Ja sehr. Ich finde sie richtig scharf.“

 

„Schön.“ 

 

„Und Dich auch. Komm mal her.“

 

„Soll ich sie anbehalten.“

 

„Ja!“ 

 

Tschlip tschlip, zwitscher, zwitscher, schnäbel, schnäbel, turtel, turtel!

 

Ich werde nicht mehr! Über mir und damit praktisch vor den Augen aller Versöhnungsgevögel. Im wahrsten Sinne des Wortes. 

 

Normalerweise finde ich deutsche Sprichwörter ziemlich fade. Jetzt aber passt eines wirklich gut: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte! 

 

Text und Foto: ©Andrea Steffen