Nur noch eine kleine Anhöhe. Die Schafe liegen im morgennassen Gras, mahlen mit ihren Unterkiefern und beäugen uns. Direkt daneben mit der Kruppe gen Meer eine große Herde Shettys, allesamt dunkelbraun, ruhig wie ein Scherenschnitt. Ein ganz leichter Frühnebel liegt noch auf dem Grünstreifen zwischen Weiden und Dünen und als der Schwarm schnatternder Gänse im Landeanflug im weichen Grau verschwindet, kriecht eine Gänsehaut mein Rückgrat rauf. „The Fog“ lässt grüßen.
Aber schon ein paar Schritte weiter oben am höchsten Punkt der Düne ist diese Gefühl wie weggewischt. Die See liegt glatt zu unserem Füßen, der Strand lang und breit. Es ist Ebbe, auch an Menschen.
Und abgesehen von der frühen Stunde ist noch etwas anders. Der Wind, der drei Tage lang an Mützen, Jacken und Worten gezerrt hat, hat sich zur Ruhe begeben. Eine Möve kurvt über die wellige Landschaft und jagt von hinten von der Sonne beschienen ihrem vorauseilenden Schatten im Zickzack nach.
Ganz leicht nur schlägt der Seilzug der Fahnenstange vom Strandpavillon gegen die Metallstange. Klong, klong, klong. Im gleichen Rhythmus hüpft ein Hund über die Wellen. Sein begeistertes Bellen erreicht zeitversetzt mein Ohr.
Links oder rechts? Egal, Hauptsache gehen. Zu hören ist nur unser Atem und das Knirschen unserer Schuhe über den festen Sand. Atmen, knirschen, atmen. Ich sauge die kühle Salzluft tief in meine Lungen und weiche glitzerndem Tang aus. Hinter uns plötzlich Mövenschreie. Sie hetzen sich gegenseitig über den Strand, ihre Flügelspitzen haarscharf über dem Prielwasser und dann stieben sie wie Jets einer amerikanischen Flugshow in alle Himmelsrichtungen davon.
Die glatte Oberfläche des Meers trügt. Wellen rollen ans Ufer und kleine Donnerschläge wie zum Salut scheinen uns zu grüßen. Aus der Tiefe grollt es leise. Die Nordsee demonstriert ihre ungebrochene Macht. Ich habe Respekt.
Vor der Weite, der Tiefe, der Kraft und schicke ein paar Gedanken auf Nimmerwiedersehen über den glatten Spiegel ins Unendliche. Und atme und gehe und atme und schaue und lasse los und halte mein Gesicht in die Sonne und gehe einfach weiter. Die Windstille legt sich wie Balsam aufs Gemüt.
Die Strecke messen wir in Strandpavillons und Pinkelpausen und angenehmer Erschöpfung.
Als wir zurück kommen, haben Knirpse in Ölzeug mit doppelt so großen Schaufeln wie sie selbst den Strand erobert. Weiter oben quietscht die Türangel einer Strandbude. Ein Windschutz ist aufgebaut und wird gerade mit Handtüchern ausgelegt. Zwei versierte Läufer beenden ihre Runden am Toilettenhäuschen und wir genehmigen uns einen letzten holländischen Kaffee, bevor es heimgeht.
Einmal noch umdrehen, das Gesicht dem Meer zuwenden, die Sonnenbrille von der Nase schieben und einatmen.
Alles richtig gemacht!
Danke, schönes Zeeland.
Text und Fotos:
©Andrea Steffen