Flashbacks

Vielleicht liegt es an der Weite des neuen Jahres, die sich im Januar noch so uneinsehbar vor mir dehnte und immer noch dehnt, obwohl wir schon März haben. Oder am vergangenen Jahr mit all den Erlebnissen, die wie ein Baldachin über mir schweben. Anfang eines neuen Jahres jedenfalls packt mich immer das Bedürfnis klar Schiff zu machen, auszumisten, das alte Jahr zu entrümpeln, um Platz zu schaffen für das neue. Eine Schneise fräsen für das, was da kommen mag, vielleicht als Plätschern, vielleicht als heftige Bugwelle.

Dieses Mal nehme mich mir einen Schrank im Arbeitszimmer vor. Es ist „mein“ Schrank. Ich stoße auf allerhand Technikkram, hauptsächlich Fotoausrüstung, teilweise noch analog, jedenfalls schon uralt.

Es gibt auf Facebook eine Gruppe, die nennt sich Willich verschenkt. Ein idealer Ort, um so einiges loszuwerden. Ich will den Inhalt des Schranks auf mindestens die Hälfte reduzieren. Mindestens!

Die wirklichen Schätze aber befinden sich in Schuhkartons: Fotos, Briefe, Postkarten, Glückwunschkarten, kleine Notizzettel, Konzertkarten. Wegschmeißen? No way! Einen Großteil der Fotos kann ich digitalisieren, da sie auf CDs gebrannt sind. Das wird dauern; eine Aufgabe, die mich übers Jahr immer mal wieder beschäftigen wird. „Flashbacks“ weiterlesen

Mein Herz schlägt für …

Und hoch das Bein!

… das Sauerland,
begrabt mich mal am Lennestrand.
Wo die Misthaufen qualmen, da gibt’s keine Palmen…

Ich hasse Ohrwürmer! Letztes Jahr um die Zeit waren es Karnevalsschlager und jetzt das!

Aber was will ich machen? Ich bin nun mal Sauerländerin. Und da muss man zu solchem Liedgut stehen. Genauso wie zu der Tatsache, dass ich bei der ersten sichtbaren Schneeflocke jedes Jahr ein wenig ausraste. Oder zur Sprache. Die kriech ich ja auch nicht aussem Kopp.

Schuld sind natürlich meine Eltern, in diesem Falle meine Mutter. Mütter sind ja viel in Schuld. Schickt die mir jetzt ne Karte. Und zwar diese: „Mein Herz schlägt für …“ weiterlesen

Fünf Mark für keinen Haarschnitt

Mein Oppa, Teppich knüpfend auf dem Balkon

Am folgenden Samstag machte ich mich also ausnahmsweise schon eine halbe Stunde früher auf den Weg zu meiner Omma zum Haaremachen. Das lief ab wie gehabt. Für den Haarschnitt von Oppa Karl hatte ich eine halbe Stunde eingeplant. Also eher für seinen Haarkranz.Einmal Pläte polieren. Das sollte doch wohl nicht so schwer sein, zumal Oppa weitaus unkomplizierter mit seiner verbleibenden Haarpracht umging als meine Omma. Männer sind da irgendwie lockerer.

 

Ältere. Oder?

Wie auch immer, Oppa brauchte weder den Spiegel als Kontrolle, noch wollte er sich vorher die Haare waschen. „Ach watt. Trockenschnitt wie immer.“ Also rückte sich Oppa den Küchenstuhl mitten in der Küche zurecht und nahm Platz. Ich drapierte Ommas grünen Frisierumhang um ihn herum. „Fünf Mark für keinen Haarschnitt“ weiterlesen

Verhör mit Lockenwicklern

Früher hatte ich jeden Samstag einen festen Termin. Und zwar um elf. Um elf Uhr deshalb, weil es Punkt zwölf Mittag gab. Nicht Mittagessen etwa. Nein, Mittag! 
Kurz vor elf stiefelte ich also die beiden Etagen zu meinen Großeltern hoch und wurde grundsätzlich von meiner Omma mit den Worten „Ach Kind, was haste denn da wieder an?“ im Empfang genommen. Mit meiner Art Mode zu interpretieren, war meine Omma nicht einverstanden. 

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Zeitsprünge

Sie hat absolut keine Ahnung, wie sie wirkt. Jedenfalls in dem Moment nicht.

Die Bräune harmoniert gut mit den weißblonden Haaren. Sie scheint zu leuchten. Der Kurzhaarschnitt betont ihren langen Hals und man möchte ihr einfach immerzu die Hand in den Nacken legen. 

 

Ihr ist gar nicht klar mit welcher Nonchalance sie sich bewegt, mit spitzen Fingern kleine Döschen aus dem Regal fischt, die Stirn leicht runzelt, während sie heilversprechende Ingredienzien entschlüsselt, verwirft oder gut heißt. Mit einem Schwung landen die Dinge im Einkaufskorb, die für 16-jährige lebensnotwendig sind: Fußbad, Haarfärbemittel, Körperspray, Schaumfestiger, grüner Nagellack …

 

Ich halte mich ein wenig abseits, tue so als wäre ich ebenso wie sie in das Lesen eines Anti-Aging-Produkts vertieft. Dabei geht es dann meist eh nur noch ums Entziffern ohne Lesebrille. In Wahrheit genieße ich das Schauspiel, das sich da vor mir ausbreitet. Sie mag es nicht, wenn ich „starre“, wie sie es nennt. Ich nenne es Erinnerungen schöpfen. Ein Vater mit seinem vielleicht 12-jährigen Sohn biegt um das Regal herum. Der Junge bleibt abrupt stehen und starrt sie an. Auch er kann nicht wegsehen. Sie wirft ihm einen Blick zu. Ihre Wimpern werfen dabei Schatten. Sie verzieht keine Miene und konzentriert sich wieder auf ihr Tun, sprüht ein wenig mit irgendeinem Zeugs herum, dann auf ihr Dekollète, hebt die Nase schnuppernd in die Luft und leckt ich einmal über die Lippen. Ich glaube der arme Jüngling fällt gleich in Ohnmacht. Ich grinse. 

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