Geliebter!

 

Du machst mich an. Natürlich bist du wolllüstig. Ich sehe es dir doch an. Ich finde das schön, also kein Problem. Woher ich das weiß? Du müsstest dich sehen!  

 

Du meinst also, du wärest eher so der zarte Typ, der gemächliche Liebhaber, austestend, kostend. Auch das. Ich gebe dir recht. Und stürmisch und leidenschaftlich, manchmal mit einer melancholischen Note. Allerdings auch unberechenbar. Dich einzuschätzen, fällt mir schwer. Natürlich nehme ich dich so wie du bist. Immer wieder. Und immer wieder gerne. Ich liebe deine Wärme und deine Großzügigkeit und ganz besonders deine Poesie.

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Die Sache mit den Fotos und der Weile

 

Das mit den Fotos ist ja grundsätzlich so eine Sache. Das mit den Urlaubsfotos besonders. Natürlich nimmt man sich unmittelbar nach dem Urlaub vor, die Fotos zu sortieren, auszumisten und am besten noch zu bearbeiten. Vor allem ist die Erinnerung dann noch so frisch, dass man Ortsnamen, Kirchturmhöhen und Anzahl von am Abend konsumierten Gläschen Wein problemlos für Bildunterschriften aus dem Gedächtnis zitieren kann. Dann könnte man im Prinzip eine schöne Fotostrecke basteln und seinen Freunden brühwarm unter die Nase reiben, dass man mal wieder zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort mit den richtigen Leuten, der absolut richtigen Kamera und dem überaus richtigen Fotografenblick die allerallerschönsten Augenblicke des Jahres für die Ewigkeit festgehalten hat.
Soweit die Theorie.
Dass das nie klappt, weiß jeder. Ich auch! Theoretisch.

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Lila Krücken 

„Na hoffentlich keine lila Krücken. Wenn schon Krücken, dann meine alten, die jetzt die Oma hat.“ 

 

„Tja meine Liebe, dann machen wir Dir erst mal einen Gips und ganz fix einen Termin zum MRT und dann sehen wir weiter.“ Unser Haus- und Hoforthopäde verschwindet in den nächsten Behandlungsraum. Das mit dem Gips dauert. Ihr Bein zittert von der Anstrengung, es so lange leicht gebeugt von der Liege halten zu müssen. Das gibt Muskelkater. 

 

Die Sprechstundenhilfe bringt Krücken. Lila, dunkellila! Wir sehen uns an. Nee, oder? Doch! „Da fehlt jetzt aber noch der Glitzer.“ Die Arzthelferin guckt fragend. „Ich habe von Karneval noch so einen Spray, den sprühen wir drauf.“ „Dann ist gut Mama, nämlich ohne Glitzer kann ich nicht leben.“ Die Blicke werden irritierter. Ich zucke bloß die Schultern. „Das ist der Schock, Glitzer ist gut gegen Schock.“ Ehe sie uns beide einweisen, halte ich dann doch lieber die Klappe.

Ich bugsiere unsere Tochter nach Hause, bette sie bequem auf die Couch, Fernbedienung dazu, was zu essen, zu trinken, Handy, Laptop, Telefon, Schmerztropfen. Die Apotheke hat die Thrombosespritzen vorrätig. Bis alles erledigt ist, ist es Abend. 

 

Der nächste Tag ist ein Feiertag. Gott sei Dank! Am Morgen werfe ich mir ein Trockentuch über den Arm und marschiere ins Wohnzimmer, in dem sie sich niedergelassen hat. 

 

„Mademoiselle, zum Frühstück können Sie heute wählen zwischen Milchkaffee mit Zucker und Milchkaffee mit Zucker, dazu wahlweise ein Laugencroissant von Bäcker G., Mehrkorn- oder ein normales Brötchen, als Belag Butter oder Margarine, Pflaumenmus, Appenzeller, mittelalten Gouda oder Kochschinken. Gerne reichen wir dazu einen Orangensaft aus der Tüte.“ 

 

Das Kind grinst, ich nehme die Bestellung entgegen und verziehe mich in die Küche. Die notwendigen Handgriffe gehen mir nicht leicht von der Hand. Ich spüre wie sich in mir ein Gemisch aus Wut und Traurigkeit aufbaut. Es hat keinen Zweck, aber ich hadere mit dem, was passiert ist. Was hat unsere Tochter nicht schon alles gehabt? Strepptokokken, Zeh gebrochen, Verbrennungen dritten Grades, Hüftschnupfen, Meningitis, ein gequetschter Finger, so Unaussprechliches wie Morbus Osgood Schlatter, zuletzt ein Bänderriss und das ist längst nicht alles. Ist jetzt nicht mal langsam gut?  

 

Ja, es ist immer alles gut ausgegangen. Es gibt wahrlich Schlimmeres. Trotzdem. Reicht es nicht mal langsam? Ich denke an die bevorstehenden Herbstferien. Nix mit Alpen Hajk, Schlittschuhlaufen mit den Freundinnen oder mittwochs Disco für die U18. Sie arbeitet hart für die Schule. Ich hätte es ihr so gegönnt. Gut, dass wenigstens das Konzert von Cro verlegt wurde.  

 

Ich gehe zurück ins Wohnzimmer. „Der Koch empfiehlt außerdem einen Wodka Lemon. Der knallt besonders gut zusammen mit dem Novalgin. Wie wär’s?“  

 

Spaß muss sein. 

 

„Unter unseren weiteren Gästen weilt ein Ehepaar mittleren Alters. Darf ich das mit an Ihren Tisch platzieren?“ „Aber gerne, gegen Unterhaltung habe ich momentan wenig einzuwenden.“ Wir grinsen.  

 

Was auch sonst? 

 

Tausend Fragen gehen mir durch den Kopf. Wie wird das mit der Körperpflege? Das Busfahren können wir knicken, also Mamataxi.  Der Sport wird ihr fehlen. Was ist, wenn sie doch operiert werden muss? Sie hat so lange Schule, kriegt man danach noch Krankengymnastiktermine? Heilt das ohne Folgen aus?  

 

Nach dem Frühstück möchte sie wieder in ihr Zimmer, die PSP 2 wieder mal in Betrieb nehmen. Alles geht langsam, alles ist mühsam.  

 

Entschleunigung.  

 

Wo sind die Spiele für die Playstation, wo das Handy? Hier, nimm mal das Kissen unter das Bein. Tut mir leid, aber die Thrombosespritze muss erst mal sein. Ach warte, vorher desinfizieren. Im Keller ist noch dieses Tablett fürs Bett. Das holen wir mal eben.  

 

Ich wetze treppauf und treppab. Entschleunigung und Fitness. Das ideale Wellness-Programm für mich.  

 

Galgenhumor. 

 

„Weißte was, Mama. Wenn ich jetzt eh 6 Wochen keinen Sport machen kann und danach auch nicht, bis ich wieder fit bin, dann kann ich doch schon mal die Theoriestunden für den Führerschein absitzen. Das fällt genau in die Zeit vom Fußballtraining. Dann mache ich halt das.“ 

 

Hammer! Von dem Optimismus kann ich mir mal locker 27 Scheiben abschneiden.  

 

„Und noch was! Es wäre schön, wenn Du mir die Fußnägel frisch lackieren könntest. Du hast doch diesen dunkellila Nagellack. Das passt astrein zu den Krücken!“ 

 

Stimmt genau. So machen wir das. Entschleunigen und Nägel lackieren und einfach mal von heute bis morgen gucken! Ich wusste doch, dass die lila Krücken zu mehr als zur einen Gehhilfe nutzen.

Zeitsprünge

Sie hat absolut keine Ahnung, wie sie wirkt. Jedenfalls in dem Moment nicht.

Die Bräune harmoniert gut mit den weißblonden Haaren. Sie scheint zu leuchten. Der Kurzhaarschnitt betont ihren langen Hals und man möchte ihr einfach immerzu die Hand in den Nacken legen. 

 

Ihr ist gar nicht klar mit welcher Nonchalance sie sich bewegt, mit spitzen Fingern kleine Döschen aus dem Regal fischt, die Stirn leicht runzelt, während sie heilversprechende Ingredienzien entschlüsselt, verwirft oder gut heißt. Mit einem Schwung landen die Dinge im Einkaufskorb, die für 16-jährige lebensnotwendig sind: Fußbad, Haarfärbemittel, Körperspray, Schaumfestiger, grüner Nagellack …

 

Ich halte mich ein wenig abseits, tue so als wäre ich ebenso wie sie in das Lesen eines Anti-Aging-Produkts vertieft. Dabei geht es dann meist eh nur noch ums Entziffern ohne Lesebrille. In Wahrheit genieße ich das Schauspiel, das sich da vor mir ausbreitet. Sie mag es nicht, wenn ich „starre“, wie sie es nennt. Ich nenne es Erinnerungen schöpfen. Ein Vater mit seinem vielleicht 12-jährigen Sohn biegt um das Regal herum. Der Junge bleibt abrupt stehen und starrt sie an. Auch er kann nicht wegsehen. Sie wirft ihm einen Blick zu. Ihre Wimpern werfen dabei Schatten. Sie verzieht keine Miene und konzentriert sich wieder auf ihr Tun, sprüht ein wenig mit irgendeinem Zeugs herum, dann auf ihr Dekollète, hebt die Nase schnuppernd in die Luft und leckt ich einmal über die Lippen. Ich glaube der arme Jüngling fällt gleich in Ohnmacht. Ich grinse. 

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36 Grad

… und es wird noch heißer!

5.00 Uhr – 24°C – Außerordentliche Hitzebettflucht, Vögel zwitschern, kühle Dusche, trällere selbst.

Tiriliiii!

5.30 Uhr – 24,5°C – Kaffee? Ja, Eiskaffee! Und 10 Liter Wasser! Ach was. 20 Liter! Vögel verstummt, ich auch.

6.00 Uhr – 25°C – Zeitungsbote beatmet, dann Zeitung als Fächer benutzt, Buchstaben um die Ohren gehauen. Cool.

Wedel!   „36 Grad“ weiterlesen