Surprise! Surprise! 

Mitbringsel aus Down Under

Der Laptop stand aufgeklappt und bereit zum Skypen auf dem Wohnzimmertisch. So ist das, wenn das Kind im Ausland weilt. Man verabredet sich für ein Pläuschen via Internet. Gut ein Stündchen noch versuchen, die Augen möglichst offen zu halten und geistig wach zu bleiben. Wer weiß, wann sich die nächste Gelegenheit ergibt. 

Als es an der Tür klingelt, gehe ich davon aus, dass ein Nachbar noch eine Frage zur bevorstehenden Eigentümerversammlung hat oder in irgendeinem Haushalt mal wieder ein Ei fehlt. Stattdessen stehen Freunde unserer Tochter vor der Tür. „Wir sind mit Merle verabredet!“ „Wie kommt Ihr darauf? Die ist doch noch in Australien. Sie kommt exakt am 06.06. um 19.45 Uhr in Düsseldorf an.“ „Komisch, wir waren aber verabredet.“ In diesem Moment springt wie das Kaninchen aus dem Zylinder mein im fernen Melbourne gewähntes Kind in die Türöffnung.

Fata Morgana? Zuviel Zucker? Zuviel Kaffee, Wein, Stress? Siegfried und Roy – auferstanden in Willich? Halluzinationen? 3D-Drucker?  

 

Nein, sie ist es wirklich. Ich lasse sie gar nicht mehr los und muss mich immer wieder versichern, dass sie es wirklich ist.
Vollkommen blöde Aussagen kommen mir über die Lippen wie „Der Kühlschrank ist aber leer“ oder „Dein Bett ist nicht gemacht“ oder „Wir wollten doch fertig renoviert haben, ehe Du kommst“ und „Ich wollte Dich mit Plakaten empfangen und eine Überraschungsparty sollte es auch geben.“ 
Sagen wir so: Die Überraschung ist IHR gelungen.
Es war eine lange, lange Nacht und seitdem reden wir und reden und reden und lachen und lachen und drücken uns und reden wieder … über australische und deutsche Flüchtlingspolitik, über deutsches Bier und deutsches Brot und australischen Wein, über Zukunftspläne und Trichternetzspinnen im Busch, über Sozialkompetenz, über Verantwortung und Eigenständigkeit, über Sky Diving, über Kohle, Konsum und Kerle, über die nächste Party und wie man eine Orange anflemmt, um einem Cocktail eine bestimmte Nuance zu verleihen, über den nächsten Friseurbesuch, über Freunde, die bekloppten Kater und wie sich Heimweh anfühlt und Sehnsucht und Glück und wie die Perspektiven sich ändern und was Wertschätzung bedeutet und was wirklich zählt…. und … und … und…
Am nächsten Morgen fahre ich sie direkt zum ersten Date. Aus dem Autoradio ertönt die Seitenbacher-Werbung und der Nachbar mit dem witzigen Haarkranz und Hund kommt uns mit der Brötchentüte entgegen. Ihr Kommentar „Hammer, alles wie gehabt hier!“
Nicht ganz! Alles ein bisschen schöner, humorvoller, chaotischer und lebendiger jetzt wieder!
Text und Foto: ©Andrea Steffen

Linksdrall

 

 

„Jetzt ist sie weg. Weg. Und ich bin wieder allein, allein…“. Dieser Ohrwurm verfolgt mich. So ein Quatsch. Ich bin weder allein und weg ist sie nur vorrübergehend, wenn auch verdammt lange.

Ich umklammere den Morgenkaffee und bin froh, heute frei zu haben. Der Abschied war ein Kraftakt. Die letzten Wochen auch irgendwie.

Ich gehe unter die Dusche … um sie zu schrubben.

Ich räume den Duschkorb aus. Balea Dingenskirchen gegen zauseliges Haar kann erst mal weg, ebenso das Gesichtswasser gegen fettige Haut. Den Zahnputzbecher annektiere ich, den wollte ich immer schon haben. Ebenso die Bodylotion. Der Bademantel geht in die Wäsche, die Handtücher auch.

Ich räume auf, ich räume um, schneide die Hecke, lösche Überweisungsvorlagen im Online-Banking. Ordnung muss sein. Muss?
Ordentlicher wird es werden. Finde ich gut. Ruhiger wird es auch werden. Finde ich nicht gut. 
Ihre Schlagfertigkeit, ihr Witz, ihr gnadenloser Humor, ihre Spontanität, die Diskussionen, ihre Leidenschaft und die Fähigkeit sich in Rage zu reden, die Gradlinigkeit, ihre hammerharte aber mittlerweile mit Diplomatie gewürzte Kritik, ihr ansteckendes Lachen, sogar ihre After-Heavy-Party-Laune vom Wochenende und vieles was ich noch gar nicht abschätzen kann, wird mir fehlen.
Mein Herz balanciert zwischen Stolz und Wehmut. Im Moment ist es einfach noch schwer. Linksdrall halt. 

 

Text © Andrea Steffen

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