Sie hat absolut keine Ahnung, wie sie wirkt. Jedenfalls in dem Moment nicht.
Die Bräune harmoniert gut mit den weißblonden Haaren. Sie scheint zu leuchten. Der Kurzhaarschnitt betont ihren langen Hals und man möchte ihr einfach immerzu die Hand in den Nacken legen.
Ihr ist gar nicht klar mit welcher Nonchalance sie sich bewegt, mit spitzen Fingern kleine Döschen aus dem Regal fischt, die Stirn leicht runzelt, während sie heilversprechende Ingredienzien entschlüsselt, verwirft oder gut heißt. Mit einem Schwung landen die Dinge im Einkaufskorb, die für 16-jährige lebensnotwendig sind: Fußbad, Haarfärbemittel, Körperspray, Schaumfestiger, grüner Nagellack …
Ich halte mich ein wenig abseits, tue so als wäre ich ebenso wie sie in das Lesen eines Anti-Aging-Produkts vertieft. Dabei geht es dann meist eh nur noch ums Entziffern ohne Lesebrille. In Wahrheit genieße ich das Schauspiel, das sich da vor mir ausbreitet. Sie mag es nicht, wenn ich „starre“, wie sie es nennt. Ich nenne es Erinnerungen schöpfen. Ein Vater mit seinem vielleicht 12-jährigen Sohn biegt um das Regal herum. Der Junge bleibt abrupt stehen und starrt sie an. Auch er kann nicht wegsehen. Sie wirft ihm einen Blick zu. Ihre Wimpern werfen dabei Schatten. Sie verzieht keine Miene und konzentriert sich wieder auf ihr Tun, sprüht ein wenig mit irgendeinem Zeugs herum, dann auf ihr Dekollète, hebt die Nase schnuppernd in die Luft und leckt ich einmal über die Lippen. Ich glaube der arme Jüngling fällt gleich in Ohnmacht. Ich grinse.