|
Angelina |
Ich bin keine Eidechsenflüsterin. Definitiv nicht. So viel steht fest.
Nicht, dass es nicht versucht hätte. Aber … ich bin keine.
Auf der Terrasse unseres sardischen Refugiums für eine Woche leben zwei. Ich nenne sie mal Angelina. Braun, schlank und schnell. Und Brad. Grünbraun, größer, kräftiger und noch schneller. Sie sonnen sich, abwechselnd auf den großen Findlingen rund um die Terrasse, auf den Fliesen der Terrasse und dem Mauerwerk, das die Terrasse einfasst.
|
Suchbild mit Echse |
Aber sie sonnen sich nicht lange. Sobald ich nämlich auftauche, vor allem mit der Kamera im Schwenk, zischen sie ab. Sie verpieseln sich in die Mauerritzen, flitzen drin rum und lugen an der anderen Ecke frech wieder raus. Sie blinzeln mir zu. Ätsch! So viel versteht sogar eine Nicht-Eidechsenflüsterin.
Ich wispere „calmo, calmo“ in der Annahme, dass sie nur Italienisch verstehen. Aber nichts da. Die doofen Viecher verstehen gar nichts, huschen Schutz suchend ins nächste Gebüsch und halten mich für einen großen, gefährlichen Vogel.
|
Brad (auf der Suche nach Angelina) |
Ich bin kein großer und gefährlicher Vogel. Ich kann ja noch nicht mal fliegen. Aber das kapieren sie einfach nicht, die Einfaltspinsel, ziehen den Bauch ein und quetschen sich flink zwischen die nahegelegenen Steinhaufen. Vorher aber strecken sie mir noch frech die gespaltene Zunge raus. Drei Mal! Jede von ihnen!
Irgendwann lege ich mich auf die Lauer mit der Linse im Anschlag, sende so viele good vibrations aus wie möglich. Und vielleicht ist genau das das Problem. Auf vibrations reagieren sie höchst empfindlich. Ich versuche eine andere Taktik. Ich wende den Kopf nach links, schiele nach rechts und kriege fast eine Genickstarre, dafür aber ein straffes Kinn. Bilde ich mir zumindest ein. Wer nicht auftaucht, sind Angelina und Brad. Nichts zu machen.
|
Palme ohne Vögel |
Na gut, dann eben die Vögel fotografieren. Die sind auch unsichtbar, dafür aber laut. Sie bevölkern die höchste Palme am Pool, zetern, zwischtern, tschilpen, flöten, fiedern, turteln und flattern was das Zeug hält. Italiener halt. Es geht hoch her in der Palme. Ich nähere mich barfüßig schleichend mit dem nach oben gerichteten Tele. Mit einem Schlag verstummt die Bande und als hätte ich die Palme mit einem Schrotgewehr beschossen, stürzen sich sämtliche Federlinge in einer spontanen Gruppendynamik, die nach geübter Choreografie aussieht, kopfüber in den nächsten Oleanderbaum, wo es – in sicherem Abstand zu der Frau mit dem Telegewehr – munter von vorne losgeht. Und das mir als Pazifistin! Ich schleiche mich wieder an. Dieses Mal stieben sie sternförmig auseinander und landen – genau – in der größten Palme. Das Spiel hätte so weitergehen können, wenn meine Aufmerksamkeit nicht von anderem Getier angezogen worden wäre.
|
Biene im Korallenbaum |
Es summt und brummt nämlich nur so durch den Hotelgarten. Die Bienen lassen sich nicht ablichten, die Hummeln sind auch erstaunlich flink, besitzen im Gegensatz zu den deutschen einen unheimlich langen Rüssel und tauchen tief in die schnabelförmigen Blüten der Strelitzien. Hinterteile alleine will ich nicht. Ich will die ganze schöne Hummelpracht. Die Schmetterlinge taumeln nektartrunken durch den Hibiskus und legen ganz plötzlich eine Art Turbo ein, als ich mich nähere. Ich fasse es nicht. Kein sardisches noch so kleines Viech will sich von mir ablichten lassen.
|
Gesumme in der Strelitzie |
Und den Igel, der plötzlich nachts auf unserer Terrasse auftaucht und die Eidechsenschlafstätte erstaunlich leichtfüßig umtrippelt, mag ich mit meinem Blitzlicht nicht verscheuchen. Selbst die Ziegen hört man lediglich und sieht sie nicht. Mit ihrem Gemecker und ihren Glocken läuten sie den späten Nachmittag ein. Die Berge werfen die dunklen Glockentöne zurück ins Tal und man glaubt sich inmitten der Herde. Zu sehen sind aber nur kleine weiße Flecke, die sich am grünen Berghang im Zickzack entlang bewegen.
|
Läuse am Hibiskus-Stempel |
Und dann schaffe ich es doch noch. Ich kriege einen schlafenden Hund vor die Linse und durch Zufall beim Ablichten von Blättern im Gegenlicht eine Schwebwespe und Läuse auf einer Hibiskusblüte.
Wundervoll! 17 Tiere in 7 Tagen!
Und dann noch die Mücken. Die kommen immer zu mir. Nachts und auch tagsüber. Wer mit mir reist, braucht keinen Mückenschutz. Der Beweis reiht sich in Perlenkettenform über die hintere Seite des linken Oberschenkels.
|
Schwebfliege auf Klettertour |
Ich habe meinen Beruf verfehlt. Meine wirkliche Berufung liegt im Lockruf von Mücken. Ich bin eine nonverbale Mückenflüsterin.
Man kann mich buchen! Ab sofort! Am besten für eine Reise nach Sardinien!
Text und Fotos: ©Andrea Steffen