Viechzeugs – Down under – Teil 5

Der Erstkontakt mit einem typischen australischen tierischen Bewohner fand unmittelbar nach dem Verlassen der Großstadt statt. Am schon durch Patrick Swayze und Keanu Reevesbekannten Bells Beach lief mir eine Ameise über den Weg. Aber was für eine! Rot und ungefähr so lang wie mein Daumen. Ich habe auf eine nähere Bekanntschaft verzichtet. Die Ameise auch.

 

Erst mal eine Runde chillen

Der nächste Kontakt war ein eher gemächlicher. An der Great Ocean Road hocken zum Beispiel die kleinen knopfäugigen Koalas sehr touristenfreundlich an einem Rastplatz in den Eukalyptusbäumen, mümmeln Eukalyptusblätter und bewegen sich nur in Zeitlupe, was den Fotografen freut. Die rund 20 Sorten Eukalyptus, von denen sich die Jungs und Mädels ernähren, liefern nämlich viel zu wenig Energie, um sich länger als vier Stunden täglich mit den wirklich essentiellen Aufgaben des Lebens zu beschäftigen: Fressen und Fortpflanzung. Das stammt nicht von mir. Sowas lernt man z.B. hier. Normalerweise sind die putzigen Kuscheltiere, die natürlich keine Bären sondern Beuteltiere sind, in den landesläufig Gum Trees genannten Eukalypten nicht so einfach auszumachen. Dreißig Meter hohe Eukalypten sind nämlich keine Seltenheit in down under. Eukalyptus soll ja desinfizierend wirken. Bei Koalas allerdings habe ich so meine Bedenken, denn wenn sie weder schlafen oder gerade essen, dann kratzen sie sich und die Vermutung von Parasiten liegt nahe.

Eine sehr sonderbare Spezies sind Kängurus. Da sie in Halls Gap im D’Altons Resort praktisch zum Hausstand gehören, konnten wir sie von der Veranda unseres Cottages wunderbar beobachten. Besonders morgens und am späten Nachmittag kamen sie aus dem Busch, um sich entweder einen sonderbar harmlosen Boxkampf zu liefern oder höchst entspannt wie ein Römer auf dem Divan liegend  auf der Wiese zu fläzen und dabei hin und wieder einen Grashalm zu naschen. Dabei wird der vor Ehrfurcht erstarrte Tourist angeblinzelt als wollte es sagen „Easy going – that’s the Aussie way of life“. Gehüpft wird eher im Notfall. Bequemer ist doch diese Haltung im 4-Füßler-Stand mit dem Schwanz als zusätzlichem Halt. Und in dieser Haltung wird sich äsend dann gemächlich fortbewegt. Ich hab’s versucht. Mein Ding ist das nicht.

Immer schön entspannt bleiben

Den Kängurus sehr ähnlich, aber wesentlich kleiner und scheuer sind Wallabies. Waren sie mal da, waren sie direkt wieder weg. Vor die Linse habe ich keines gekriegt.

Nicht ganz so scheu sind Emus, die auch in Halls Gap über die Straße marschieren, allerdings hektisch links und rechts gucken und auch schnell im Busch wieder verschwunden waren.

Ganz im Gegenteil dazu sind die Scharen von sulphur crested cacadoos, die die Baumwipfel bevölkern und dabei ein Spektakel veranstalten, das einem Hören und Sehen vergeht. Mitunter sind sie sogar sehr zutraulich. Ebenso die Loris oder Rosellas, die teilweise sogar Vogelfutter aus der Hand fressen und auf der Schulter landen. Aber hier gilt und daran haben wir uns immer gehalten „Keep wild life wild.“

Action an der Futterstelle von Gipsy Point

Woran ich mich auch gehalten habe und was mich noch heute ärgert, ist das Fotoverbot während der Penguin Parade auf Phillip Island. Also nicht wegen der Pinguine, die mich wirklich beeindruckt haben, wie sie nach Sonnenuntergang in kleinen Gruppen über den Strand watscheln, sich die Dünen hochkämpfen und anschließend ihre Küken versorgen, um sich am nächsten Tag frühmorgens unisono wieder in die Fluten zu stürzen zur Futtersuche. Nein, eher wegen des schönsten Sonnenuntergangs meines Lebens. Na gut, ist auf der ureigenen Festplatte gespeichert.

Sehr witzig war auch die Begegnung mit wilden Truthähnen, die sich bei Regen gerne mal auf die Veranda unseres Cottages geflüchtet haben, dabei unter der von mir belegten Hängematte durchmarschierten, unbedarft Platz neben dem Gasgrill nahmen, ihr Gefieder trockneten und erst wieder abzogen, als der Regen nachließ.

Gefühlte 1,80 m lang (na gut, eher 1,20 m)

In meinem Leben nicht vergessen werde ich wohl dieses Riesenvieh von Echse. Sieht aus wie ein Waran und bewegt sich auch so. Da denkt man sich nichts Besonderes, steuert auf einen der üblichen Lookouts zu und trifft dann plötzlich auf dieses Urviech, das dem Präkambrium zu entstammen scheint. Die Warnung des Gatten, die Viecher seien nicht ungefährlich habe ich natürlich in den Wind geschlagen. Nichts wie mit der Kamera hinterher. Nachgelesen habe ich dann, dass in Australien mehr Echsen leben als sonst auf der Welt und … dass sie Fleischfresser sind und auch menschliche Füße zum Frühstück nicht verschmähen. Und in der Tat war das dann wohl ein Riesenwaran, dem wir über den Weg gelaufen sind. Glück gehabt … also auch wegen der Füße.

Sonnenbad, bevor es wieder ins Wasser geht

 
Wahnsinnig flink sind die sog. Water Dragons (Wasseragamen). Sie flitzen mit bis zu 100 km/h sogar übers Wasser. Und Bekanntschaft mit einer Kragenechse habe ich auch gemacht. Und als die dann den Kragen so ein wenig hochgestellt hatte, wusste ich … die mag bestimmt auch Flipflops … mit Füßen wahrscheinlich..

 

Auf keinen Fall – aber wirklich auf gar keinen Fall!!! – vergessen darf ich die allerwichtigste Spezies in Australien überhaupt: die Glühwürmchen von North Tamborine. Was wir nämlich hier landläufig als Glühwürmchen bezeichnen sind in Wahrheit sogenannte ganz und gar gewöhnliche „fireflys“. Echte Glühwürmchen können gar nicht fliegen. Sie sind im Puppenstadium befindliche Fliegen, die in feuchten dunklen Höhlen sitzen, ihre Beute durch ihr glühendes Hinterteil anlocken, um sie anschließend in einem Spinnennetz ähnlichen Geflecht zu fangen und zu verspeisen. Raffiniert! Die in den Glow Worm Cavesbeschäftigten Biologen behaupten denn auch, diese australischen Raritäten wären unermesslich wichtig für Forschung und Technik, produziert so ein Würmchen nun mal seine eigene Disco-Beleuchtung. Wie auch immer, es war dunkel, es war feucht, die Würmchen nur wenige Millimeter groß und natürlich braucht die Welt genau diese Art von Enthusiasten, die von selbst leuchtende Larven für die größte natürliche Errungenschaft unseres Universums halten. Trotzdem gebe ich zu, dass ich lieber einen Wombat zu Gesicht bekommen hätte.

 

Künstliche Glühwürmchenhöhle von North Tamborine

Wombats sind nachaktive Tiere von der Größe eines Frischlings, aber unseren Nagern ähnlich. Am liebsten fressen sie Gras und Grünzeugs und buddeln dafür in der Erde rum. Man nennt sie auch „bulldozer of the night“. Also sieht man sie nicht, höchstens nachts, wenn man nicht schläft und auf die Pirsch geht. Das habe ich getan, allerdings nach Cocktails in Sydney. Ich habe viele Nachtaktive getroffen, aber keinen Wombat. Man kann nicht alles haben.

Außer man kauft es sich … so als kleiner Hinweis, was Euch im nächsten Beitrag erwartet.

Fortsetzung folgt

 

Text und Fotos: ©Andrea Steffen

Meine wahre Berufung

Angelina

Ich bin keine Eidechsenflüsterin. Definitiv nicht. So viel steht fest. 

Nicht, dass es nicht versucht hätte. Aber … ich bin keine.  
Auf der Terrasse unseres sardischen Refugiums für eine Woche leben zwei. Ich nenne sie mal Angelina. Braun, schlank und schnell. Und Brad. Grünbraun, größer, kräftiger und noch schneller. Sie sonnen sich, abwechselnd auf den großen Findlingen rund um die Terrasse, auf den Fliesen der Terrasse und dem Mauerwerk, das die Terrasse einfasst.
Suchbild mit Echse
Aber sie sonnen sich nicht lange. Sobald ich nämlich auftauche, vor allem mit der Kamera im Schwenk, zischen sie ab. Sie verpieseln sich in die Mauerritzen, flitzen drin rum und lugen an der anderen Ecke frech wieder raus. Sie blinzeln mir zu. Ätsch! So viel versteht sogar eine Nicht-Eidechsenflüsterin.

 

Ich wispere „calmo, calmo“ in der Annahme, dass sie nur Italienisch verstehen. Aber nichts da. Die doofen Viecher verstehen gar nichts, huschen Schutz suchend ins nächste Gebüsch und halten mich für einen großen, gefährlichen Vogel. 
 
Brad (auf der Suche nach Angelina)
Ich bin kein großer und gefährlicher Vogel. Ich kann ja noch nicht mal fliegen. Aber das kapieren sie einfach nicht, die Einfaltspinsel, ziehen den Bauch ein und quetschen sich flink zwischen die nahegelegenen Steinhaufen. Vorher aber strecken sie mir noch frech die gespaltene Zunge raus. Drei Mal! Jede von ihnen! 

 

Irgendwann lege ich mich auf die Lauer mit der Linse im Anschlag, sende so viele good vibrations aus wie möglich. Und vielleicht ist genau das das Problem. Auf vibrations reagieren sie höchst empfindlich. Ich versuche eine andere Taktik. Ich wende den Kopf nach links, schiele nach rechts und kriege fast eine Genickstarre, dafür aber ein straffes Kinn. Bilde ich mir zumindest ein. Wer nicht auftaucht, sind Angelina und Brad. Nichts zu machen. 
Palme ohne Vögel
Na gut, dann eben die Vögel fotografieren. Die sind auch unsichtbar, dafür aber laut. Sie bevölkern die höchste Palme am Pool, zetern, zwischtern, tschilpen, flöten, fiedern, turteln und flattern was das Zeug hält. Italiener halt. Es geht hoch her in der Palme. Ich nähere mich barfüßig schleichend mit dem nach oben gerichteten Tele. Mit einem Schlag verstummt die Bande und als hätte ich die Palme mit einem Schrotgewehr beschossen, stürzen sich sämtliche Federlinge in einer spontanen Gruppendynamik, die nach geübter Choreografie aussieht, kopfüber in den nächsten Oleanderbaum, wo es – in sicherem Abstand zu der Frau mit dem Telegewehr – munter von vorne losgeht. Und das mir als Pazifistin! Ich schleiche mich wieder an. Dieses Mal stieben sie sternförmig auseinander und landen – genau – in der größten Palme. Das Spiel hätte so weitergehen können, wenn meine Aufmerksamkeit nicht von anderem Getier angezogen worden wäre. 
Biene im Korallenbaum
Es summt und brummt nämlich nur so durch den Hotelgarten. Die Bienen lassen sich nicht ablichten, die Hummeln sind auch erstaunlich flink, besitzen im Gegensatz zu den deutschen einen unheimlich langen Rüssel und tauchen tief in die schnabelförmigen Blüten der Strelitzien. Hinterteile alleine will ich nicht. Ich will die ganze schöne Hummelpracht. Die Schmetterlinge taumeln nektartrunken durch den Hibiskus und legen ganz plötzlich eine Art Turbo ein, als ich mich nähere. Ich fasse es nicht. Kein sardisches noch so kleines Viech will sich von mir ablichten lassen.
Gesumme in der Strelitzie
Und den Igel, der plötzlich nachts auf unserer Terrasse auftaucht und die Eidechsenschlafstätte erstaunlich leichtfüßig umtrippelt, mag ich mit meinem Blitzlicht nicht verscheuchen. Selbst die Ziegen hört man lediglich und sieht sie nicht. Mit ihrem Gemecker und ihren Glocken läuten sie den späten Nachmittag ein. Die Berge werfen die dunklen Glockentöne zurück ins Tal und man glaubt sich inmitten der Herde. Zu sehen sind aber nur kleine weiße Flecke, die sich am grünen Berghang im Zickzack entlang bewegen. 

 

Läuse am Hibiskus-Stempel
Und dann schaffe ich es doch noch. Ich kriege einen schlafenden Hund vor die Linse und durch Zufall beim Ablichten von Blättern im Gegenlicht eine Schwebwespe und Läuse auf einer Hibiskusblüte. 

 

Wundervoll! 17 Tiere in 7 Tagen! 
Und dann noch die Mücken. Die kommen immer zu mir. Nachts und auch tagsüber. Wer mit mir reist, braucht keinen Mückenschutz. Der Beweis reiht sich in Perlenkettenform über die hintere Seite des linken Oberschenkels. 
Schwebfliege auf Klettertour

 

Ich habe meinen Beruf verfehlt. Meine wirkliche Berufung liegt im Lockruf von Mücken. Ich bin eine nonverbale Mückenflüsterin. 
Man kann mich buchen! Ab sofort! Am besten für eine Reise nach Sardinien!

 

Text und Fotos: ©Andrea Steffen