Einfach so!

Einfach so trudelte eine Mail ins Postfach. Ach, das ist doch nichts Besonderes wird jetzt jeder sagen. Doch! War es! Denn es war eine Einfach-so-Mail mit einer Verlinkung auf einen Kalender, der den 27. August als „Einfach-so-Tag“ auswies. 

 

Da war nachzulesen, dass …. Ach was, lest selbst!

 

Und ich fing an zu überlegen, was ich denn einfach so mal machen könnte, was mir aber viel zu zielgerichtet erschien. Erst mal antworte ich flugs dem lieben Sender. Dann sandte ich den Link weiter, einfach so. Und wartete auf Reaktionen.

Die kamen!

 

Antworten lauteten: „Ich freue mich einfach so auf meinen Urlaub ab morgen.“ Oder „Ich reiße jetzt die Zeichnung einfach so in 5 x 5 mm große Stück und setze sie wieder zusammen,  hi-hi!“  

 

Zwischenzeitlich ging ich einfach so  jemanden umarmen, der sich freute und kochte einfach so mal Kaffee, obwohl ich im Büro meist Tee oder Wasser trinke. 

 

Dann goss ich die Blumen meiner Kollegin. Einfach so und dachte, dass ich  einfach so mal wieder an den Rhein fahren sollte und Steine ins Wasser werfen könnte.

 

Die Mails flitzten einfach so hin und her, was ich erfrischend und belebend fand. Sogar derart, dass ich lauthals singend nach Feierabend nach Hause radelte. Ich beschallte die Felder mit „Touch me, touch me. I wanna feel your body. Your heart is next to mine!“ Einfach so! Und woher bitte kam diese in den 80igern verschüttete musikalische Geschmacksverirrung?
War einfach so da!  

 

Mittags schloss ich die Küche nach dem Kochen unaufgeräumt und dreckig hinter mir. Die Bügelwäsche legte ich einfach so beiseite und mich stattdessen auf die Terrasse in die Sonne.  

 

Und gegen Abend gab ich dann auf dem Rad ein zweites Mal Samantha Fox, weil mir danach war, strampelte der Sonne entgegen und legte meine ganz persönliche Bestzeit bis Anrath hin. Einfach so. 

 

Auf dem Rückweg – dieses Mal die Sonne im Rücken – setze ich mich einfach so neben ein Maisfeld und schaute den Heißluftballons zu, die scheinbar lautlos der Nacht entgegen schwebten. 

 

Kürzlich las ich, dass man als Burnout-Prävention einmal die Woche eine Art Ruhetag einführen sollte. Ich denke, den könnte man getrost durch einen Einfach-so-Tag ersetzen. 

 

Der war nämlich schön. Einfach so. 

 

Text und Foto:  ©Andrea Steffen 

 

 

 

 

 

Ich kann Regen

Kürzlich flatterte wieder einmal die Information der Rentenversicherung in den Briefkasten. Schwarz auf weiß ist nachzulesen, was dann wohl als Rentenzahlung zu erwarten ist, wenn man denn mal in Rente geht. Das treibt einem die Tränen in Augen. Wenn man dann noch überlegt, dass a) die Berechnungen in den meisten Fällen viel zu positiv ausfallen und b) diese Rente in Zukunft auch noch voll besteuert wird, ist man ganz durch den Wind.

 

Es muss also ein zweites Standbein her. Was also könnte ich so nebenher machen und damit Kohle verdienen?

 

Putzen?Kann ich! Macht mir aber häufig schlechte Laune. Und die dann bei fremden Leuten ausleben? Keine gute Voraussetzung für ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis. 

 

Kochen?Kann ich auch, aber wann soll das sein? In der Mittagspause meines Jobs? Keine gute Idee. Abends? Ich brauche mittlerweile rechtzeitig meinen Schönheitsschlaf. Haken dran.

 

Babysitten?Könnte ich, wenn ich nicht regelmäßig abends auf der Couch wegnicken würde, somit erst gar nicht zum Babysitten komme oder das gesittete Kind nachher verkündet „Gestern gab’s Freddy Krüger auf RTL2, Tante Andrea schläft ja immer ein, nachdem sie mir die Milka weggefuttert hat.“ 

 

Garten?Könnte ich im Prinzip, nur dann nicht, wenn mir jemand sagt „Reißen Sie mal das Unkraut da raus und dabei auf Lungenkraut zeigt.“ Abgesehen davon brauche ich meinen Rücken und den Rest des Skeletts für den eigenen Garten. 

 

Haareschneiden?Kann ich auch. Bei Katzen. Bei Menschen ist das anders. Mein Oppa hat mir mal einen Heiermann dafür gegeben, dass ich ihm die Haare bitte NIE WIEDER schneide.  

 

Aber heute fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich kann Regen! Es ist geradezu ein Naturgesetz, dass es regnet NACHDEM ich zuhause die Fenster geputzt habe. Das wäre doch eine tolle Einnahmequelle.

Fenster putzen – Regen garantiert. 

Gleich kommt der Regen!

Also, Ihr lieben Landwirte, Ruhrverband, Gartenbesitzer, Forellenzüchter, Forstwirte … Ihr könnt Regen haben. Gegen einen Obolus putze ich die Fenster (MEINE natürlich). Bucht mich! Ich bin eine Regenmacherin!

Und für alle anderen, die eine Radtour planen, abends grillen wollen, eine Allergie gegen Gummistiefel haben, selber Fenster putzen wollen, das Auto gerade durch die Waschanlage geschickt haben oder just beim Friseur waren, schickt mir Geld, wenn es NICHT regnen soll! 

Dann lasse ich das mit dem Fensterputzen.

 

Text und Fotos: ©Andrea Steffen

Ein bisschen reich

 

Es ist immer die gleiche Strecke. Raus aus der Einfahrt und raus aus der Straße. 7.42 Uhr. Als erstes begegnet mir mein Nachbar. Er schwenkt die Brötchentüte, pfeift mir unbekanntes Liedgut und hebt die Finger zum Victory-Zeichen. Ja-ja, ich weiß Du hast schon Urlaub, ich nicht. Ich klatsche ihn ab und empfehle ihm Sekt ans Bett zu bringen. 
In den Ferien ist es erstaunlich ruhig morgens, normalerweise begegnen mir hier sonst weitere Nachbarn, auch schon mal ein später Zeitungsträger, Rad- und Autofahrer. Die Straße endet im Wirtschaftsweg. Heute ist es still. In der ersten Kurve klingele ich trotzdem. Zu oft bin ich hier schon fast mit einem anderen Radler kollidiert. Ich sehe, dass am anderen Ende der Felder die ersten Arbeitskolonnen ihren Tag bereits begonnen haben. Es soll heiß werden. Knochenarbeit. 
Eine Frau geht mit ihren Hunden Gassi. Sie nimmt sie an die Leine, als sie mich sieht. „Danke.“ „Bitte.“ Ein Fasan stolziert kreischend und für jedermann sichtbar auf einem abgeernteten Feld herum. Moin Du dummes Federvieh.

Nach kurzer Zeit erreiche ich wieder ein Wohngebiet. Eine ältere Dame, Frühaufsteherin, gießt bereits ihre Petunien. Vom Balkon aus nickt sie mir zu. Ich nicke zurück. So macht man das hier auf dem Dorf. 

Über die Hauptstraße quere ich in den Park. Ein Obdachloser kommt über den Rasen geschlurft. Leere Flaschen klirren in seiner Plastiktüte. „Guten Morgen.“ „Guten Morgen.“ Drei Enten flüchten vor meinem Rad. Hallo Ihr Hübschen, geht Euch im Teich abkühlen, soll heiß werden heute. Ich komme aus dem Park heraus ins Helle. Von oben höre ich eine Stimme. Ein Mann mittleren Alters telefoniert am offenen Fenster. Er kratzt sich am Kinn. Unsere Blicke begegnen und verlieren sich wieder. Das erste Auto kommt mir entgegen. Jetzt erst. Herrlich wie friedlich sich ein Morgen in den großen Ferien anfühlt. 
Der Gemüsehändler dreht seine quietschende Markise heraus. Ein Windstoß lässt meinen Rock flattern und er zwinkert mir zu. Ich winke lachend ab. Ich kenne seine Frau. Sie ist wunderschön. Ich umkurve die viel und zu Recht kritisierten Poller auf dem Marktplatz, tauche unter den Platanen durch und stoppe vor dem Bäcker. Ein älterer Herr sitzt davor mit einer Zeitung und einem Kaffee, Witwer seit kurzem wie ich weiß. „Moin.“ „Soll heiß werden heute.“ „Hab‘ ich auch gehört.“ Seine Augen sind hellblau und sehr wach, aber mit einem traurigen Schimmer.
Über die Verkaufstheke wechseln ein Laugencroissant und die magischen Zahlen 3 und 6. Sie stehen für die restlichen Arbeitstage bis es in den Urlaub geht. „Tschö bis morgen.“ „Ciao und tu wenigstens so, als würdest Du arbeiten.“ 
Der Lavendel am nächsten Haus duftet betörend und trägt noch Tautropfen. Ich stoppe, zücke mein Handy und mache schnell ein Foto. Normalerweise parken hier sonst schon haufenweise Autos. Mein Tacho zeigt 22°C und 7.55 Uhr.
Der Parkplatz vor und hinterm Bürogebäude ist fast leer und nur ein Rad steht im Fahrradständer. Die Mitarbeiter des Reinigungsunternehmens sind schon aktiv. „Dein Rad könnte eine Wäsche gebrauchen“, kriege ich zu hören. Wie wahr, wie wahr, denke ich und werde inkonsequent bleiben. 
7.57 Uhr ziehe ich meinen Chip über die Stempeluhr und fühle mich in diesem Moment ein kleines bisschen reich, reich an diesen netten kleinen Begegnungen des Morgens.