Moin!

Mehr braucht es hier nicht. Moin reicht. Morgens, mittags, abends.

Das ist praktisch und einfach. Wer ‚Moin Moin‘ sagt, sabbelt. So die gängige Meinung. Aber sabbeln die hier oben im Norden nicht?

Doch! Und wie. Die Bäckereiverkäuferin erzählt mir morgens mal eben kurz ihr halbes Lebens. Unser Vermieter ist immer gerne für einen Plausch offen. Seine Tochter auch. Von unserer Dachterrasse beobachte ich, wie ein Nachbar einen Riesentrumm von Surfboad in seinen kleinen Fiat zwängt. 2/3 des Board schauen aus dem Schiebedach.

Er dreht ein paar Runden und meint es würde gehen. Das erzählt er jedem, der es hören will. Und es will jeder aus der Nachbarschaft hören. Einer (ich glaube Ove), gibt seinen Senf dazu, erzählt noch eben von Oma Else ihrer Hüft-OP. Der andere (ich glaube Sönke), erzählt was von Semisinker und Funboard und erstmal ein Jever schlürfen. So geht das ne ganze Weile weiter. Klönschnack.

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Hoppla di hoppla da

Immer an der Wasserkante lang

Französisch ist eine schöne Sprache! Sagt man so.

Finde ich auch. Umso mehr, als ich gerade mal wieder die Chance habe hier in der Normandie meine eingerosteten Kenntnisse ein wenig aufzufrischen. Ich komme also irgendwie klar.

Mit dem Gatten ist das anders. Das ist ein alter Lateiner. Trotzdem kennt er natürlich so einige französische Vokabeln.

Beim Strandspaziergang habe ich das zur Sprache(!) gebracht. Folgendes ging ihm absolut fließend(!) von den Lippen:

„Une bière, s’il vous plaît.“ War ja klar. Bier bestellen, geht immer, ist ja auch extrem wichtig – für die Nieren und so. „Hoppla di hoppla da“ weiterlesen

Pflaume ist aus

„Pflaume ist aus“, ist das erste was ich höre als ich an die Theke meines Vertrauensbäckers trete. Aha. Pflaume ist also aus. Ich wollte auch gar keine Pflaume, ich wollte Brot. 7-Körner-Vollback-Bio-Dingenskirchen oder so.
Und wieso ist Pflaume überhaupt aus? Ich kenne „Licht ist aus“ oder „Der Ofen ist aus“. Ich kenne sogar „Es ist aus!!!“, was das Schlimmste allen Aus-Seins ist. Aber wie kann eine Pflaume aus sein? War sie jemals an? Wer hat sie ausgemacht oder vorher angemacht? Ich glaube, die meinen „Weil der Ofen aus ist, ist es die Pflaume auch.“ Ergo: Heute wird kein Pflaumenkuchen mehr gebacken. Mit dieser Erkenntnis und dem Superleckerschönbraunundknusprig-Brot mache ich mich von dannen.

Mein Fahrrad liegt vom Wind umgekippt auf dem Pflaster. Toll die Wurst! Ich hebe das Rad auf, schließe es auf, verlade meine Einkäufe und denke „Wieso toll die Wurst?“ Wo kommt dieser Ausdruck her? Kürzlich habe ich ihn irgendwo aufgeschnappt und seitdem geht er mir nicht mehr aus dem Kopf. Was ist toll an einer Wurst? Oder wieso ist gerade diese so toll? Was würde ein Vegetarier dazu sagen? Oder gar ein Schwein? Ich glaube, es heißt sogar bloß „tolle Wurst“. Und wenn ich jetzt immer „Toll DIE Wurst“ sage, sagen andere das jetzt auch?

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Miguel Molto English

Lieblings-Trattoria

Sardinien empfängt uns mit einer noch milchigen Morgensonne und wir falten uns in den gemieteten Fiat Punto, um unser Hotel kurvenreich anzusteuern. Der erste Gang durchs Örtchen Villasimius ist langsam. Unglaublich langsam. Schön langsam.

Piano!

Das Geplauder der Hausfrauen auf dem Bürgersteig ist italienische Oper in den Ohren, die Palmwedel winken mir ganz persönlich zu, die Sonne wärmt angenehm den Nacken und der Wind zauselt sofort eine Urlaubsfrisur.

Molto bene!

 

Hier kommt der Genuss
Wir steuern die Trattoria in der Ortsmitte, die für den Rest des Urlaubs gleich die Lieblingstrattoria bleibt, für einen ersten Cappuccino an.

Bravo.

Mit dem Ober verständigt man sich mit Handzeichen und Spanisch. Englisch ist hier nicht. Braucht man nicht. Wozu hat der Mensch Hände und eine ausgeprägte Mimik?

 

Im Tante-Emma-Laden allerdings wird es dann doch was knifflig. Der durstige Tourist kauft Wasser (con gaz, da hilft das Spanisch wieder) und sieht sich einem hölzernen Regal voller einladender Weinflaschen gegenüber. Naturalemente! Ein Wein zum Sonnenuntergang ist ein Muss im Urlaub.

 

Öffner. Was heißt Öffner auf Italienisch? Auf Spanisch? Keinen blassen Schimmer.

Non ho capito.

 

Einmal pro Woche kommt Luigi mit dem Laster
Ich gebe mein Bestes, ahme das Öffnen des Weins nach, intoniere „Plopp-plopp“ und anschließend „Gluck-gluck.“ Die Verkäuferin guckt interessiert. Das hilft nicht wirklich. Sie ruft „La Mama“, die wiederum „La Nonna“ ruft.

 

Alle kommen aus sämtlichen Ecken des Minimarktes herbei. Ich lege mich noch mehr ins Zeug, schlucke, gluckse, schraube, ziehe in die Luft, ploppe und mache „Ah!“ Alle gucken. Ratlos. Der Raum ist gefüllt mit Fragezeichen bis plötzlich La Nonna den rechten Zeigefinger in die Luft schießt und ruft „Miguel, ah, si, subito!“

 

Auf der Piazza hat man Zeit, als 100-jähriger sowieso
Grazie a Dio!

 

Oma, Mutter und Enkeltochter bilden eine Kette durch den Laden und vorbei an Pasta, Pomodori, Pecorino und Pollo setzt sich in Wellen der Ruf „Miguel, pronto, pronto“ fort.

 

Langsam teilt sich ein dunkelgrüner, schon recht verschlissener Vorhang in der hintersten Ecke des langgezogenen Raums. Heraus tritt ein baumlanger, etwas pickeliger Jüngling und schlurft vorbei an Biscotti und Bananas. Von den weiblichen Familienmitgliedern wird er mit Anfeuerungsrufen und ausholenden Handbewegungen in unsere Richtung bugsiert. Er bleibt vor uns stehen, während sich die Damenmannschaft um uns formiert.

 

Auftritt Miguel!
TukTuk

Die Großmutter schaut uns begeistert an und präsentiert mit nach oben gerichteten Handflächen und einem breiten Grinsen: „Ecco mio Miguel. Miguel, molto English!“

Sehr schön, ein englischsprechender Italiener mir spanischem Vornamen. Wir sind genauso begeistert wie La Nonna. Unsere Frage nach einem Weinöffner beantwortet das hoch aufgeschossene Sprachwunder mit einem ebenso lapidaren wie klaren „No!“, dreht sich um und schlurft zurück hinter den Vorhang.

 

Abgang Miguel Molto English.

 

Nun denn, der Wein wandert zurück ins Regal. Wir lassen uns noch ein Gesöff von La Mama in einer Plastikflasche für 4,50 € andrehen, das sich später als selbstgebrannter Hirnzellenvernichter erweist und fahren von dannen.

 

Aber egal. Miguel Molto English wird uns in Erinnerung bleiben!

Ciao giovincello!

 

Text und Fotos: ©Andrea Steffen

 

Samstagsmarkt in Villasimius