Dennis und die Feinstaubbelastung

Alles fing mit der einfachen Frage an: „Hamwereigentlich noch Fliesen fürs Erdgeschoss?“ Die Antwort war klar und deutlich: „Jo!“ Das wiederum war der Auslöser dafür, dass ich mittels Lesebrille und Fingernagelprobe die Fliesen in unserem Erdgeschoss dahingehend untersuchte, ob der Fleck denn ein Dreckfleck oder ein Defektfleck war. Am Ende dieser maximal professionellen Analyse prankten locker mal 15 Post-Ists auf allen Fliesen mit Sprüngen, Rissen, Kitschen, Titschen und Splitterschäden. Dazu kam eine ebenfalls gesprungene Wandfliese im Badezimmer.
Der Fliesenleger unseres Vertrauens ließ einen fachmännischen Blick über die Chose gleiten. „Kann man machen“, war sein Urteil. Und in dem Moment denke ich noch, dass solche Sätze normalerweise in „… muss man aber nicht“ enden. Um es kurz zu machen: Eine Woche später schleppten drei Fliesenfachleute ihr ganzes Zeugs in unsere Bude. Der Chef vons Janze versicherte: „Wenn Du heute Nachmittag nach Hause kommt, Mädel, dann ist das hier gewuppt.“ 

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Der Klodeckel-Dozent

Begegnungen sind freiwillig. Oder auch nicht. Diese war freiwillig. Deshalb kann ich mich nicht beschweren. 

 

Zu beschwert war offensichtlich aber unser vor nicht allzu langer Zeit neu erworbener Toilettendeckel. Die Reklamation gestaltete sich 10-mailig und 6-telefonatig schwierig nach dem Motto „Da ich nicht weiß, was die Ursache für die defekten Toilettensitzdeckelpuffer ist, kann ich Ihnen leider auch keinen kostenlosen Ersatz liefern.“  

 

Ich lege Wert auf höflichen Umgang und Sachlichkeit. Aber irgendwann hatte ich den Papp auf! Und zwar so richtig! 

 

Kennen Sie Frauen, wenn sie giften? Wenn die Stimme zwei Oktaven über normal null ansetzt und sich tief in die Ohrwindung des Gegenübers schrillt? Ich hasse solche Stimmen. Leider war es an der Zeit, sie selber einzusetzen, § 438 BGB zu zitieren und das Wort „Rechtsanwältin“ ins Spiel zu bringen.  

 

Zwei Tage später stand ein Mitarbeiter eines bekannten Keramikherstellers vor der Tür.  

 

„Die Puffer Ihres Toilettensitzdeckels sind geborsten.“  

 

„Richtig!“ Der Mann war ein Schnellmerker.  „Sagen Sie mal, setzen Sie sich etwa auf den Toilettendeckel?“ 

 

HALLO? „Selbstverständlich setze ich mich auf den Toilettendeckel. Was glauben Sie was passiert, wenn ich mir morgens den rechten Fuß auf dem linken Bein hüpfend eincremen würde, mit dem anderen schon eingecremten Fuß auf den Fliesen abrutsche, mit dem Kopf gegen die Badewannenkante pralle und beim Festhalten noch die beiden Handtuchhalter abreiße? Dann das ganze Blut, der ausgerenkte Lendenwirbel, die Prellung des Oberschenkels und der lockere Schneidezahn? Man müsste den Krankenwagen rufen. Und weil das Kind dann nicht ins Bad kann, kommt es direkt zu spät zur Schule. Das gibt wieder einen Strich. Hatten Sie früher viele Striche im Klassenbuch? Sowas will doch kein Mensch!“ 

Der Keramikfachabteilungsaußendienstmitarbeiter schaut mich an. Lange. Ein Punkt für mich. Glaube ich.

 

„Dann ist ja alles klar.“ Der Mann gibt sich unbeeindruckt. Ein Punkt für ihn.

 

„Was ist klar?“ 

 

„Dass die Puffer defekt sind. Man darf sich nämlich nicht auf den Toilettendeckel setzen. Setzen Sie sich nie auf einen Toilettendeckel! Sie glauben nicht, was das für Verletzungen geben kann. Ich habe sowas schon gesehen und das sah nicht schön aus.“ 

 

Ach Du heiliger Strohsack. Der Mann hat also schon Sachen gesehen, die ich weder sehen, noch mir vorstellen, noch selber erleben möchte. 

 

„Hörsenma, das gibt’s doch gar nicht, dass man sich nicht auf einen Klodeckel setzen soll. Das macht jeder und wenn es nur für den kurzen Badezimmersmalltalk ist. Und außerdem legt man ja wohl ein Handtuch unter, oder?“ 

 

Und auch das gibt’s doch gar nicht. Ich lasse mich mit Mr. Klo-Profi doch wirklich auf eine Diskussion ein, was man darf und wenn ja wie. Gleich diskutiere ich mit ihm noch die perfekte Haltung beim Fußnägellackieren. Ich hab‘ se doch nicht mehr alle. Der soll den Deckel austauschen und gut ist. Aber so einfach komme ich nicht davon.

 

„Ich rate Ihnen wirklich dringend davon ab, sich auf einen Klodeckel zu setzen. In Europa gibt es mittlerweile nur noch zwei Lieferanten von Kunststoffdeckeln und Vollholzdeckel werden per se nicht mehr hergestellt. Auf die kann man sich setzen. Nicht aber auf die in Europa fabrizierten.“ 

 

„Auf Sardinien gibt’s noch Vollholzdeckel.“ 

 

„Dann müssen Sie auswandern.“ 

 

Mir reicht’s. Ich bitte Herrn Dr. W.C. Spülung den mitgebrachten Sitz auszutauschen. Mein Tag ist noch lang und ich wollte mir an sich gleich noch die Fußnägel lackieren, auf dem Toilettendeckel sitzend. Aber das verrate ich ihm nicht. 

 

Der Mann geht ans Werk, professionell. Zumindest kniet er mal nieder. Wenigstens diese Geste als kleines Entgegenkommen für die vielen Mails, Telefonate und ungewollten Klositztechnikbelehrungen lasse ich mir gefallen. 

 

„Und mit was reinigen Sie Ihr WC denn so?“

 

Wie ich derartige Fragen hasse. Das geht den Kerl doch sowas von gar nichts an.  

 

„Wieso?“ 

 

„Schauen Sie doch mal hier. Hier setzt sich so langsam ein hellgelber Rand ab. Das kommt davon, wenn man nach dem Reinigen den Deckel wieder zuklappt. Die Dämpfe des Reinigungsmittels steigen auf und setzen sich langsam auf dem Kunststoff fest. Ich schätze Sie reinigen mit Essigreiniger.“ 

 

Eines muss ich sagen. Der Kerl hat’s drauf.  

 

„Also, nach dem Reinigen das Klo erst mal lüften. Und die Scharniere, die dürfen Sie aber auf gar keinen Fall mit Essigreiniger putzen. Das lässt sie langsam korrodieren. Sehen Sie hier. Er zeigt mir nach der Demontage einen grünen Rand UNTER den Scharnieren. Da dürfen Sie nur mit milder Seifenlauge dran. Und nehmen Sie ja nie etwas, was aufgesprüht wird. Das muss immer mit ganz viel Wasser abgebraust werden, sonst zerfrisst es die Scharniere von innen. Und Sie brauchen was gegen Bakterien, aber das wissen Sie ja.“ 

 

Weiß ich nicht. Ein regelmäßig geputztes Klo braucht kein kill-all-keims. 

 

Ich lasse ihn dozieren. Er hat ja sicherlich recht. Er kennt sich aus und das Klo ist sein Ding. Meins nicht, außer zum Sitzen.  

 

Er schraubt und rückt und spült und lässt den Deckel auf- und zuploppen. Dann besieht er sich sein Werk. Perfekt. Muss man ihm lassen. Und so schön neu.  

 

„Und am besten stellen Sie sich dann demnächst hier ein einen Badezimmerhocker hin, auf den Sie sich setzen können.“ 

 

Der Mann ist voller Ideen. Klasse! 

 

Ich unterschreibe ihm seinen Laufzettel, wünsche gute Fahrt und bedanke mich artig. 

 

Dann atme ich auf. 

 

Als ich wieder nach oben komme, sehe ich wie unser Kater mit einem geschmeidigen Satz auf das WC springt. Er setzt sich, dreht sich zu mir und guckt kokett. 

Und damit ist Sitzen beschlossene Sache!

 

 

Text und Fotos: ©Andrea Steffen

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