Shades of Gray

 

 

 

Liebe Leute! Schatten von Grau breiteten sich flächig über mein Cerebrum, nachdem ich den ersten – und um es gleich zu sagen für mich auch letzten – Band dieser Trilogie durch hatte. Und ich frage mich seitdem, wie dieses Buch es in die Bestsellerlisten aller Länder außer Nordkorea, Saudi Arabien und Afghanistan geschafft hat? 

 

Ist es die reine Neugier, Voyeurismus, überbewertete Rezensionen oder bloß der beständige Griff zu einem Buch mit einem Weltbestseller-Aufkleber? Ich weiß es nicht! 

 

Das Buch war ein Geschenk, ein lieb gemeintes Geschenk. Ein bisschen An- und Aufregung kann ja nicht schaden! Und ich gebe zu, dass ich die über 600 Seiten nach zwei Tagen durchhatte. Was mich trieb? Jedenfalls keine Triebhaftigkeit im natürlichen Sinne, sondern der naive Glaube, dass die Story vielleicht doch noch erstaunliche Entwicklungen, gar Überraschungen bereithält. Mein Fehler, doch immer wieder an das Gute zu glauben.
 

Die Erzählung ist ebenso simple wie uralt: Die 21-jährige Jungfrau (hä?) Anastasia trifft steinreichen, also Milliardenschweren, überirdisch schönen Prinzen namens Christian. Natürlich ist sie absolut fasziniert von ihm und gibt sich ihm ebenso selbstverständlich hin. Dass er dabei nicht gerade zartbesaitet vorgeht, soll dem Ganzen sicherlich Würze verleihen. Also mal ehrlich? Welche Frau stellt sich ihre Entjungferung gerne brutal vor? 

 

Die Beziehung, wenn man es als solche wirklich bezeichnen will, liest sich wie ein Teenagertagebuch. „Ich will Dich, aber Du kannst mich ja nicht lieben, weil Du nicht wirklich lieben kannst. Ach Gottchen, wer weiß, was da Schlimmes in Deinem Leben passiert ist, Liebster, aber ich werde Dich mit meiner ach so reinen Liebe heilen.“ 

 

Dazwischen geht’s natürlich zur Sache, aber nicht etwa erotisch, sondern entweder mit dem, was die Autorin für Blümchensex hält oder in Sado-Maso-Manier. Das ist besonders glaubhaft, weil wir es hier mit einem in der Liebe vollkommen unbescholtenen Alabasterwesen zu tun haben. Wo gibt’s denn sowas? Das ist Groschenheftniveau. 

 

Irgendwann hört man auf die Höhepunkte zu zählen, so zahlreich und in allen erdenklichen Stellungen erfolgen sie. Und nicht nur das. Da wird jedes Mal wie wild explodiert. Alle Achtung! Dazu eine Sprache der Autorin, die leider allzu brav und amerikanisch-prüde (ich weiß, sie ist Britin) daher kommt. Oder warum bezeichnet das angebliche Sado-Maso-Luder seine lustvollen Körperregionen mit altbacken und verklemmt anmutendem Vokabular wie „Unterleib, da unten, wo die Beine aufhören und Körpermitte“? Vermutlich deshalb, weil der inzwischen nicht mehr jungfräulichen Ana im Laufe des Romans gut 50 Mal die Kinnlade runterfällt, sie unter Kieferstarre leidet und somit nicht in der Lage ist sich anderweitig zu artikulieren.

Ständig ist sie außerdem damit beschäftigt rot zu werden, wahlweise feuerrot, puterrot, dunkelrot. Wie wäre es denn mal mit samtrot? Dazu werden andauernd die Augen gerollt, was aber zur Folge hat, dass Ana dann ganz, ganz böse von ihrem Sklavendompteur bestraft werden muss. Und dann dieser Quatsch mit der „inneren Göttin“. Also ich kenne nur innere Organe.

 

Mit anderen Worten … der Roman ist schlecht geschrieben und genauso schlecht lektoriert. Alleine der Thesaurus von Word hätte nützliche Dienste erwiesen. Es gibt mitunter sogar Sätze, die fast identisch zwei Seiten aufeinander folgen. Irgendwann beschloss ich, die nächste Seite heraus zu reißen, wenn ich noch ein weiteres Mal den Ausdruck „postkoital zerrauftes Haar“ lese. Hätte ich das wirklich getan, wäre das Buch nur noch halb so dick.  

 

Um es ganz klar zu machen: Die Story könnte vielleicht sogar reizvoll sein, wenn sie auf zwei reifen Sexualcharakteren aufbauen würde, die gemeinsam auf Entdeckungstour gehen und dabei ganz neue Spielwiesen erobern. Was an diesem Buch aber erotisch sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist plakativ und eindimensional. Es lässt keinen Spielraum für die eigene Fantasie und wie jeder weiß, beginnt guter Sex erst mal im Kopf. Alleine weil ich unliebsame negative Auswirkungen auf ebendiese zerebralen Funktionen fürchtete, habe ich mir die weiteren Bände gespart. 

 

Was die enormen Verkaufszahlen angeht, da stelle ich mir mittlerweile die Frage, ob ich mich für so manche Geschlechtsgenossin nicht doch fremdschämen muss. Kann es vielleicht sein, dass es so vielen Frauen gefällt sich einem Mann dermaßen zu unterwerfen, dass er entscheidet welches Kleid sie tragen, welches Auto sie fahren und wann sie austreten dürfen? Finden wirklich so viele Frauen die Aussicht auf ein devotes Dasein als schmückendes und wortloses Beistelltischen aber dafür mit inkludierter Herdprämie attraktiv?  

 

Ach so, wer den ersten Band preiswert erwerben möchte – natürlich nur, um sich selbst ein Bild zu machen -, kann sich an momox.de wenden. Da bin ich ihn soeben losgeworden, ganz ohne Reitgerte, nur mit der fingerfertigen Kunst kleiner lasziver Handbewegungen :-). 

 

©Andrea Steffen