Alle meine Wünsche

 

Eine wunderbare Lektüre – nicht nur für die Ferienzeit
Zu manchen Büchern kommt man wie die Jungfrau …
Ach nein, ein bisschen anders war es schon. Der Blitz hatte die FritzBox abserviert, die Leseprobe auf dem Kindle konnte ich nicht runterladen und landete tags drauf in Ermangelung von Alternativen im örtlichen Buchladen.
Klein, fein und kurzweilig sollte es sein, ein Buch für einen Nachmittag. Und ich hatte Glück.

„Alle meine Wünsche“ von Grégoire Delacourt erzählt von Jocelyne, einer Frau mittleren Alters, die im nordfranzösischen Arras betulich einen Kurzwarenladen und eine ebenso betuliche Ehe führt. Ihre Leidenschaft …

… gilt Knöpfen, Stoffen, Strumpfbändern, Hosengummis, Garnen, Biesen und dem Blog, in dem sie über ihre Kurzwaren berichtet. Jocelyne ist weder schön, noch besonders, noch charmant, ganz im Gegensatz zu den langbeinigen, hübschen Zwillingen, die nebenan einen Kosmetiksalon betreiben und Jocelyne zum Lottospielen drängen. Dem gibt sie nach, denkt sich nichts dabei und räumt dann den Jackpot ab, über 18 Millionen Euro. 
Wohl ahnend, dass so viel Geld zwar glücklich machen kann, aber nicht unbedingt muss, verschweigt sie ihren plötzlichen Reichtum, versteckt den Scheck über die 18 Millionen unter einer Einlegesohle im Schrank und lebt weiter ihr kleinbürgerliches, aber im Grunde glückliches Leben, nicht ohne dabei Listen voller Wünsche zu schreiben. Die sind teilweise so bescheiden, so alltäglich – ein Sparschäler, eine neue Antirutschmatte für die Badewanne, einen Flachbildschirm für den Gatten – dass der Leser schmunzelt, gleichzeitig aber auch den Kopf schüttelt.
So könnte der Roman weiter dahinplätschern, aber mit einem Paukenschlag ändert sich alles. Nicht nur die Protagonistin, auch der Leser wird von den Entwicklungen vollends überrascht.
Und mehr sei an dieser Stelle auch nicht verraten, nur dass die 125 Seiten mich keine Minute gelangweilt haben. Mit poetischen Worten zeichnet der Autor das Bild einer bescheidenen und sehr klugen Frau, die einer persönlichen Tragödie trotzt und  daran wächst.
Natürlich geht es auch darum, dass Geld im Grunde nicht glücklich macht. Aber wussten wir das nicht vorher?
Titel: Alle meine Wünsche
Autor: Grégoire Delacourt
Verlag: Heyne
ISBN:978-3-453-41036-7
Preis: 8,99 €

 

Text: Andrea Steffen

 

Foto: Buchumschlag