Mehr braucht es hier nicht. Moin reicht. Morgens, mittags, abends.
Das ist praktisch und einfach. Wer ‚Moin Moin‘ sagt, sabbelt. So die gängige Meinung. Aber sabbeln die hier oben im Norden nicht?
Doch! Und wie. Die Bäckereiverkäuferin erzählt mir morgens mal eben kurz ihr halbes Lebens. Unser Vermieter ist immer gerne für einen Plausch offen. Seine Tochter auch. Von unserer Dachterrasse beobachte ich, wie ein Nachbar einen Riesentrumm von Surfboad in seinen kleinen Fiat zwängt. 2/3 des Board schauen aus dem Schiebedach.
Er dreht ein paar Runden und meint es würde gehen. Das erzählt er jedem, der es hören will. Und es will jeder aus der Nachbarschaft hören. Einer (ich glaube Ove), gibt seinen Senf dazu, erzählt noch eben von Oma Else ihrer Hüft-OP. Der andere (ich glaube Sönke), erzählt was von Semisinker und Funboard und erstmal ein Jever schlürfen. So geht das ne ganze Weile weiter. Klönschnack.
Ich fahre mit der Zunge über die Lippen und mit einem Schwung ist alles da: Salzwiesen, endloser Sandstrand, das Blau von Prielen und Meer, die Schafe auf dem Deich, die unverwechselbaren Pfahlbauten und sogar die nachmittäglich genossene Friesentorte.
Dabei ist die Dachterrasse unserer Ferienwohnung, auf der ich stehe und mich von den letzten Sonnenstrahlen bescheinen lasse, Luftlinie bestimmt 3 km von all dem entfernt.
Ich hatte keine richtige Vorstellung, wie denn Reisen zu Corona-Zeiten sein würde. Ich wusste nur – egal wie – dass ein Tapetenwechsel, eine Luftveränderung und vor allem auch ein Entfliehen von dem tagtäglichen Müssen guttun würde.
Sankt Peter-Ording war dabei das Wunschziel des Gatten, hat er doch vor langer Zeit in der Nähe seinen Grundwehrdienst absolviert und es nicht nach SPO – so die gängige Abkürzung – geschafft. Die Bilder im Internet waren vielversprechend, eine FeWo mit etwas Mühe kurzfristig ergattert. Was für ein Glück!
Nicht nur die geschmackvoll und keinen Wunsch offenlassend eingerichtete Unterkunft. Nein. Vor allem die Möglichkeit überhaupt gerade reisen zu können. Allein der heutige Tag mit einer langen Dünen- und Strandwanderung hat die Seele entknittert. Unsere Tochter schrieb: Ihr seht so erholt aus und das nach drei Tagen. Nun ja, Sonnenbrillen verdecken so einiges, aber es stimmt schon.
SPO ist die reine Spa
Die salzige Luft tief in die Lungen zu ziehen, ist geradezu ein innerliches Thalasso-Clearing. Mit nackten Sohlen über die festen Sandwellen laufen, die das Meer geformt hat, kommt einer Fußreflexzonenmassage gleich. Das 15 Grad kalte Wasser erinnert mich an Kneippsches Wassertreten, Sand und Wind im Gesicht an ein Meeresbrisepeeling und wenn die tiefstehende Sonne dann noch meine Haut warm streichelt, besteht kein Zweifel mehr: Ich werde mich nach diesen beiden Wochen goldig gebräunt, erblondet, mit jugendlicher Energie aufgeladen und faltenrundenen 2 kg plus entweder bei Heidi Klum oder im Dungelcamp einfinden.
Meer macht einfach alles möglich. Oder kann es sein, dass allein der lang vermisste Luxus eines Restaurantbesuchs samt süffigem Vino tinto Einfluss auf meinen coronagestressten Geist genommen hat?
Ich werde das weiter beobachten. Wir haben noch 11 Tage.