Neulich im Baumarkt

Sven Plöger hatte strahlenden Sonnenschein für den kommenden Vormittag versprochen, ein Grund also früh aus den Federn zu steigen und als eine der ersten im Baumarkt aufzuschlagen. „Das hat den Vorteil, dass sämtliche Baumarktfachkräfte für meine kompetenten Fragen zur Verfügung stehen“, dachte ich. Also fuhr ich den ersten Baumarkt in der nächstgrößeren Stadt an und sang dabei Yipeah-ya-ya-yippeah-yippeah-yeah. 
Normalerweise ist so ein Baumarkt ja ein zweites Zuhause für alle Hobby-Bastler, Muss-Handwerker, Häuslebauer und Kellerfriemler. So auch heute. Die waren doch tatsächlich vor mir da. Und beobachteten gespannt, wie ich diesen Riesentross von Einkaufswagen mit einer Ladefläche von 1 m x 2,50 aus der dafür vorgesehenen Parkbox manövrierte. Rückwärts. Diese blöden Dinger könnten auch mal mit einer Einpark- bzw. diesem Fall einer Ausparkhilfe ausgestattet sein. Nachdem ich nur zwei menschliche, männliche Füße der Größe 47 in Medicus-Tretern touchiert und einen Pflanzkübel umgefahren hatte, konnte es losgehen.

 Was ich kaufen wollte? Nee, keine 45 Sack Beton oder 76 m² Dämmplatten oder 100 Liter Bitumen. An sich wollte ich nur eine neue Wäschespinne, die es nach 12 Jahren Nutzung vorgezogen hat, ihre Leinen auf Nimmerwiedersehen im Innenleben zu versenken und zwei Wäscheständer, die aufgrund eines aktuellen Overloads an weiblichen Fußballtrikots die Grätsche gemacht hatte
Nichts wie los in die Abteilung Eisenwaren. Mein Instinkt war richtig, es gab Wäscheständer und zwar genau zwei, einer für 45,- €, der andere für 9,99 €. „Schönen guten Morgen, haben sie noch mehr an anderer Stelle?“, erkundigte ich mich. „Gucken Se ma da hinten bei Sanitär“ nuschelte mich ein Bediensteter im Eichhörnchen-Outfit über seinen Kaffeebecher an. Der Mann war noch nicht so ganz da. Na ja, kann ja nicht jeder so eine gute und ausgeruhte Laune versprühen wie ich.
Ich schrammte an zwei Verkaufsständern mit Briefkästen vorbei und manövrierte meinen Kasten-Ferrari in die Gegenrichtung. Auf gerade Strecke passierte so gut wie nichts, nur eine Mutter riss ihr Kleinkind an sich. Das arme kleine Ding, muss so früh mit seinen Eltern nach Spreizdübeln Barracuda SD suchen. Leute gibt’s!
In der Abteilung Sanitär gab es Waschtische, runde, eckige, halbrunde, mit Glas, mit Keramik, mit und ohne Überlauf, aber keine Wäschetrockner. Ein junger Mann im Outfit eines … okay das hatten wir schon, Sie wissen Bescheid … nahm sich meiner an. „Da muss ich telefonieren, hier hamwer keine, ich ruf mal bei Eisenwaren an.“ Ehe ich was sagen konnte, hatte er das getan. Schnell, der Junge. Er gab Auskunft, ich müsse zurück zu Eisenwaren. „Äh ja, herzlichen Dank und wo haben Sie Wäschespinnen?“ Das wusste er nicht. 
Einen Einkaufswagen der Größe eines Smart auf einer Breite von 2,50 zu wenden, ist eine Herausforderung, die ich mit Bravour meisterte. Es ging lediglich eine kleine Gartenlaterne zu Bruch, die unmotiviert im Weg stand, aber das war ja ein Sonderangebot von nur 49,95 €.
Bei Eisenwaren gab es Wäscheständer – soweit war ich schon – nicht aber eine Wäschespinne. Die gibt’s wohl in der Gartenabteilung. Das heißt, ich musste zurück. Mit dem Wendemanöver hatte ich ja nun Erfahrung und fast den Eindruck, dass der Eisenwarenfachverkäufer meine fahrtechnische Glanzleistung bewundernd abnickte. Also fast.
In der Gartenabteilung traf ich auf die erste Fachfrau in dem Laden. Sie wusste sofort, wo sich die von mir gesuchten Wäschespinnen befanden. „Also hinter der Säule, dann links, bisschen rechts, gerade aus und dann müssten Sie sie schon sehen.“ Das war präzise, abgesehen davon, dass die Dame über eine leichte Rechts-Links-Schwäche verfügte und mir schließlich eine andere Kundin mitteilte, die Wäschespinnen würden sich hinter dem Haufen von Packmaterial befinden. Der Spalt zwischen Wäschespinnen und Packmaterial betrug ca. 30 cm und ich verfluchte die Packung Chips, die ich gestern versehentlich in mich reingestopft hatte. Ja, es gab Wäschespinnen, aber nicht die der Marke, die in die Bodenhülse passen, die bereits unseren Garten ziert. 
Das war ja großartig! Ich hatte locker mal 45 Minuten damit verbracht, etwas zu finden, was ich nicht brauchen konnte. Aber so schnell gebe ich nicht auf. Einhändig steuerte ich mit dem kleinen Finger meinen Kleinlaster durch die Kassen, wünschte schönes Wochenende, parkte ohne fremde Hilfe ein und machte mich auf den Weg zum nächsten Baumarkt. 
Was jetzt folgte: siehe oben … mit dem Unterschied, es gab die Wäschespinnenmarke, die ich brauchte, allerdings nur in klein oder riesig und nicht die mittlere Variante. Vergriffen! Uah!
Ich vergriff mich dann an zwei rosafarbenen Gartenhandschuhen, zwei Rundhölzern zum Stabilisieren des Salixstämmchens, einem neuen Kehrblech samt Besen, einem Sack Erde, einer Palette Hornveillchen und Bellis, legte all das adrett auf die Ladefläche meines diesmal rot lackierten Tiefladers und hielt an der Kasse alle anderen aus, weil die Rundhölzer nicht ausgezeichnet waren. Ich knibbelte derweil die Resopalbeschichtung der Kassentheke ab. Aus der Baumarktbeschallungsanlage rieselte Beruhigungsmusik, vermutlich für die Verkäufer an der Kasse. 
Das für dieses Jahr anvisierte Projekt „Renovierung der mittleren Etage“ hat übrigens mit dem heutigen Tage ein jehes Ende gefunden, denn erst mal muss ich mich einer Therapie unterziehen, ehe ich wieder einen Baumarkt betrete. Wäscheständer gab‘s übrigens keine. Und jetzt Sven Plöger, schickste mal besser schnell die versprochene Sonne um die Ecke, damit ich meinen Brass in der Gartenerde austoben kann.