Mein allererstes Mal …

So entspannt könnte es im Prinzip sein … KÖNNTE!

… Wasserskilaufen!  

Wirklich toll, dass ich – ohne es je ausprobiert zu haben – in der letzten Kundenzeitung vollmundig erklärt hatte, Wasserskifahren wäre etwas für fast jedes Alter und leicht zu erlernen. Sportlich müsse man auch nicht sein. In der nächsten Kundenzeitung sollte ich ganz uneigennützig mal das Thema „Wie entsteht eigentlich ein Eigentor?“ beleuchten. Ein Besuch bei Freunden erwies sich als äußerst aufschlussreich in dieser Hinsicht. Allein die verbale Vorbereitung auf das Nassereignis ließ mich meinen Artikel innerlich redigieren.  
„Also am Anfang ruckt das ganz heftig und Du kannst damit rechnen, dass die Zugleine dann alleine ohne Dich weiterläuft. Ich schätze, so dreimal machste den Abgang und dann geht’s in die erste Kurve.“ So die gut gemeinten Ausführungen aus dem Freundeskreis. „Wenn Du die überlebst, kriegste ein Ticket für London. Normalerweise aber fliegst Du spätestens da raus. Keine Sorge, bisher hat noch jeder irgendeinen Zugang durchs Schilf wieder an Land gefunden. Der Vorteil, wenn man in der ersten Kurve abkackt ist, dass Du keine so große Strecke zurücklaufen musst.“
Schöne Aussichten! „Die zweite Kurve geht. Da fliegen die wenigsten raus. Es kann aber vorkommen, dass z.B. mitten drin wegen Gewitter abgebrochen wird. Von da ist der Weg am weitesten und leicht sind die Skier nicht gerade. Die dritte Kurve ist dann wieder was haarig, vor allem musste auf nackigen Füßen dann über Schotter zurück und das Schilf ist da auch was dichter; musste gucken, denn das ist auch ganz schön scharf. Tja und wenn Du dann die erste Runde komplett geschafft hast, ist meist auch schon die eine Stunde um. Also dann viel Glück.“ 

Bei so einer Beschreibung ist es doch gar keine Frage, dass man das NICHT macht. Und warum bitte musste ich es trotzdem versuchen? Die Antwort auf die Frage ist weiterhin offen. Kurzum, es lief so ungefähr wie folgt ab: 
*Am Anfang ruckt es nicht heftig. Nein, heftig nicht, es reißt einem bloß die Arme aus und man klatscht mit dem Bauch in den erstaunlich frischen See. Schon mal mit Skiern an den Füßen und ohne Arme geschwommen? Tolle Erfahrung. Nach dem Wuchten an Land war ich das erste Mal fertig mit der Welt.  
Zweiter Versuch: siehe hier * 
Dritter Versuch: immerhin kam ich ein paar Meter weit und schaffte es irgendwie mich aufzurichten. Vielleicht hätte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht grinsen sollen. Was nämlich dann geschah, entzieht sich meiner Kenntnis. Allerdings konnte ich folgende Erfahrung verbuchen: Es ist definitiv sinnvoll die Leine rechtzeitig loszulassen. Ansonsten ist der Abstand zwischen von den Füßen geschossenen Wasserskiern und dem eigenen Körper erschöpfend groß, vor allem wenn besagte Skier drohen abzutreiben.

Das Einfangen von Skiern während obercoole Wakeboarder mich mit spritzigen Wasserfontänen fast zum Absaufen bringen, war eine Heldentat, die ehrlich gesagt wenig vom zuschauenden Publikum gewürdigt wurde. Gut, dass es in diesem Moment donnerte. Alle raus aus dem Wasser. Danke Petrus für diese Pause im schön warmen Frotteetuch. „Möchtest Du was trinken?“ „Och nö, hatte schon reichlich.“

Wasser von oben – marsch!
Das Gewitter zieht von dannen, während der Tee meiner Freundin dann doch innerlich wärmt. Die Kids umrunden schon wieder den See, während ich den nächsten Versuch starte. Dabei erfinde ich das Bremsen mit dem Hintern, was ähnliche Fontänen wie die der Wakeboarder verursacht. Geht doch! Bis zur ersten Kurve! Hier fliegt man ja bekanntlich raus. Und warum sollte ich da eine Ausnahme machen?
Mit dem Schleppen von Skiern im Wasser habe ich bereits Erfahrung. Auch den Kampf mit dem Schilf gewinne ich souverän. Den mit dem inneren Schweinehund weniger. Diese verdammten Skier sind ganz einfach schwer. Ich humpele auf der Wiese zurück, murrend. Selber schuld, ich musste es ja unbedingt versuchen. Nochmal selber schuld. Die Kiddies winken mir vom See aus nonchalent zu. Sie halten sich mit nur einer Hand fest, ihre langen Haare flattern im Wind, ihre biegsamen jungen Körper parieren jede Welle elegant. Ich kriege eine Sinnkrise, mitten auf der Wiese neben dem See! Eine Wechseljahrs-Midlife-Altes-Weib-Extrem-Krise und kann mich gerade noch bremsen, diese scheißschweren Skier Sperrwurf mäßig in den See zu pfeffern oder ungespitzt in den Boden zu rammen. Wenn ich ehrlich bin, war ich einfach schon zu fertig dazu.

Ich werde mit Keksen aufgepäppelt und der obercoole Wasserski-Wakeboard-Skilehrer-Typ animiert mich, es noch mal zu versuchen. Der Schweinehund grinst. Ich will’s ihm geben! Extrem gut gebaute junge Körper sind vor mir dran. So habe ich wenigstens noch was zu gucken, wünsche mir aber gleichzeitig zur Komplettverhüllung ein Zelt vom nahen Campingplatz. Irgendwie gelingt der Start und jetzt heißt es Konzentration.

Allez-hopp – und wieder im Wasser!
Wie war das? In der ersten Kurve soll ich ganz weit außen fahren, aber ich bin doch schon so mit dem Auf-den-Beinen-halten beschäftigt. Plötzlich schießt mir der Gedanke an einen Artikel durch den Kopf, den ich gelesen habe. In Vlotho ist ein Krokodil ausgebüxt und bisher hat man es noch nicht gefunden.
Wir sind hier in Vlotho!!! Und ich Idiot schleppe mich freiwillig durchs Schilf. Bitte, bitte, nie wieder Schilf. Diese Kurve muss klappen und … gelingt auf wundersame Weise. Gut, dass ich maximal entfernt bin vom Startpunkt. So hört wenigstens keiner meinen orgastischen Triumpfschrei: Jaaaaaahhhhhhh!

Komm‘ doch, Du blödes Krokodil. Ich bin schneller und ich werde jetzt eine ganze Stunde lang hier rumkurven, denke ich noch, als ich merke, wie lang und schwer doch plötzlich meine Arme werden. Mist. Ich beiße die Zähne zusammen, als ein Tuten ertönt und die Leine erschlafft. Was? Wie? Jetzt, wo ich endlich mal die Kurve gekriegt und vor allem Kroko, dieser debilen Panzerechse ein Schnippchen geschlagen habe? Menno. Der Rest: Blubb-blubb und Skier schleppen, barfuß über SCHOTTER! Nä, nee? Doch! Genug Kraft zum Fluchen habe ich definitiv noch. Wieder am Startpunkt angelangt, heißt es, dass sich zwei Leinen verheddert haben und dann die Anlage stoppen muss. Großartig!

 

Ich stelle mich an. Mr. Watermaster guckt auf mein orangenes Bändchen am Handgelenk und dann in mein ampelrotes Gesicht. „Hm, die Stunde wäre jetzt eigentlich vorbei. Und vielleicht machste mal ‚ne Pause.“ „Na hömma, Du Hyper-Wakeboarder vor dem Herrn. Da kennste mich aber schlecht. Ich bin jetzt gerade mal auf Betriebstemperatur. Die meiste Zeit bin ich geschwommen oder das was ich dafür halte, noch mehr Zeit habe ich mit Wasserschlucken verbracht, dann bin ich vor dem archaischen Wasserurvieh, das Eure unfähige freiwillige Feuerwehr nicht einzufangen weiß geflüchtet. Außerdem habe ich die Skier als Machete benutzt und um den ganzen See Dundee-mäßig Wege durchs Schilf geschlagen. Dabei habe ich tausende von verseuchten Stechmücken auf bio-ökologische Art und Weise gemeucheln und somit die ganze Region rund um Vlotho vor einer beängstigend ausgedehnten Malaria-Pest bewahrt. Dann habe ich noch am Ufer entlang einen Halbmarathon über Spitzsteine aus dem Präkambrium hingelegt. Das ist doch kein Wasserskilaufen.“ Der Typ grinst. Ich nicht. Mir ist das ernst. Er lässt mich nochmal an den Start, als … es im Hintergrund donnert. Alle Mann raus aus dem Wasser und alle Frauen erst gar nicht wieder rein.
Schon mal Rumpelstilzchen mit Wasserskiern unterm Arm gesehen?
Na ja … und vielleicht war das dann doch auch besser, denn am nächsten Tag konnte ich meine Arme nicht mehr heben, musste angezogen und gefüttert werden und wurde von allen wirklich netten Menschen um mich herum nur noch als „Die Wasserschlürferin“ tituliert.

Fazit: Wer den Kampf mit Kroko und den Wassermassen aufnimmt, spottet jeder Beschreibung, ist reif für den Pflegedienst und hat was zu erzählen ;-).

Regenpause