Begleitetes Fahren (2) 

Hah! Es ist soweit. Das Kind hat den Führerschein, danach einen Adrenalin- und Serotoninspiegel, dass man neidisch werden kann und ist so clever die Energie direkt mal in das Wienern des 16 Jahre alten Audis der Oma zu investieren. Ich schätze, dass das alte Schätzchen erstens sauberer ist als vor 10 Jahren und das zweitens die Musikanlage noch nie in voller Lautstärke zuvor die Nachbarschaft beschallt hat.

Nach getaner Arbeit sitzt das Kind schweigend im blitzenden Gefährt. Ich: „Was machst Du da? Ist Dir nicht gut?“ Das Kind, das keines mehr ist, nur meines eben: „Ich spüre den Flow!“ 

Den Rest des Wochenendes verbringt das Kind weiterhin sitzenderweise, denn besagter Lappen, der mittlerweile eine Scheckkarte ist, muss erst noch bei der Führerscheinstelle abgeholt werden. Das geschieht montagnachmittags nach Bürozeit und Schule. Ich fahre hin. Das Kind fährt zurück.

Die Valium habe ich vergessen und knabbere an Rescue-Bonbons und Neurexan-Tabletten. Ich hätte Lindt wählen sollen, aber in der blitzsauberen Kutsche darf seit neuesten weder gegessen noch getrunken werden. Den Beifahrersitz schiebe ich in eine betont lässige Haltung. Eigentlich geht es eher darum, dass ich alle Ampeln gut im Blick haben will.

Der Start gelingt weniger. Der Audi bockt und ruckelt und wir kriegen beide einen Lachkrampf, während ein anderer Audifahrer hupend an uns vorbeifährt. Erst mal Landstraße. Jede Ampel ist beim Anfahren mit dieser alten ausgelutschten Kupplung eine Herausforderung und ich formuliere im Geiste Danksagungen an den Erfinder der Kopfstütze. Das Kind zitiert ständig „Mit dem Diesel von der Fahrschule war alles anders.“ Ja klar, der hatte auch nicht nur eine akustische Einparkhilfe, sogar eine rückwärtige Kamera und sonst jedweden Schnicknack, den eine 16-Jahre alte Karosse nicht aufweisen kann, sondern eine sahneweiche Samtkupplung!
„Wenn Du noch einmal das Wort Diesel sagst, dann schalte ich WDR 4 ein.“ Das Wort „Diesel“ fällt noch genau zweimal.
Aber abgesehen vom zackigen Anfahren … alles im Flow ;-)). 
Auf dem Parkplatz vor dem Real nimmt uns ein Spasti die Vorfahrt. Ich rege mich tierisch auf – Mutterinstinkte. Kann ich nichts gegen machen. Das Kind bleibt cool, ruckelt und würgt ab. Wir lachen, dass uns die Tränen kommen. 
Als der Wagen zuhause in der Einfahrt steht, bleibe ich noch ein wenig sitzen.
„Mama, was machst Du da?“ 

„Ich spüre den Zack!“
 

Text und Foto: ©Andrea Steffen