Tore & Tequila

Ich habe keine Ahnung von Fußball, wirklich keine, noch nie gehabt. Und ich gucke auch nicht gerne Fußball, also meistens. Wenn überhaupt, dann am liebsten zusammen mit meiner Tochter. Die spielt Fußball, hat Ahnung und ist noch jung, aber weiblichen Geschlechts, was bei der Verfolgung eines Fußballspiels von erheblicher Bedeutung ist.

 

Fußballspiele laufen dann normalerweise ungefähr so ab. Tüte Chips zwischen uns, Füße hoch und den Ton abstellen, denn der Kommentator nervt im Normalfall sowieso. Selber kommentieren macht mehr Spaß. Alle Spieler, die wir nicht auf Anhieb erkennen, bekommen zur besseren Unterscheidung erst mal Namen verpasst: Schweinslocke, Wadenkrampf, Viagra und Pläte sind nur einige Beispiele. „Guck‘ mal der da, der hat die Stulpen bis fast an die Hüftknochen gezerrt, wie Opa Kruse damals nach seiner Venen-OP.“ „Kind, früher gab’s kürzere Hosen und kürzere Stulpen. Das war irgendwie netter.“ „Gomez nimmt ganz bestimmt 3-Wetter-Taft. Selbst wenn der köpft, sitzt die Frisur wie angegossen.“

„Der wäre als Schwiegersohn trotzdem okay, Kehl oder Lewandowski aber auch.“ Augenrollen. „Hömma, guck Dir mal diesen Linienrichter da an, der futtert ja wohl den ganzen Tag lang Kraftriegel, so wie der aussieht.“ „Freistoß!“ „Mama, das gibt eine Ecke, nicht Freistoß“ „Weiß ich doch, weiß ich doch. Das war ein Test!!!“ „Hey Mr. Haarreif, das war Handspiel, wieso pfeift die Pfeife das nicht?“ 3 Sekunden Stille. „Manchmal möchte man ja doch wissen, wie die den Rasen so schön grün kriegen. „Haste die Bandenwerbung gesehen? Das ist echt das beste Kaugummi, wo gibt, kannste das nicht mal mitbringen. Lena sagt, das gibt’s im Rewe.“ „Is gut, ich gucke mal.“ „So, jetzt aber aufpassen Mama: Trikot-Tausch!“

So oder ähnlich läuft ein Spiel dann ab, während eine Portion Chakalakka nach der anderen der Tüte entweicht. 
Was aber so richtig Gaudi macht, ist Rudelgucken. Einhundert bis fünftausend Leute in eine Scheune gepfercht, die begierig mit den Augen Beamerstrahlen von Bettlaken an der Scheunenwand aufsaugen. Der Geruch von Heu und verschüttetem Bier, die drängende Enge und das Getröte einer Vuvuzela direkt in mein rechtes Ohr verpassen mir einen narkoseähnlichen Zustand, der noch durch einen Tequila bei jedem Tor unterstützt wird. Tequila hatte ich schon lange nicht mehr. Schmeckt grausam: Diese Mischung aus Salz, Zitrone und Klosterfrau Melissengeist. Aber … es wirkt.
Die La-Ola-Welle kommt instinktiv leicht aus den Hüften raus, findet ihr Ende in flatternden Fingerspitzen und damit auch gleich in der Lockenpracht des Vuvu-Tröters. Fangesänge entfalten sich tief aus dem Tequila warmen Bauch und erinnern mich an meine besten Zeiten im Schulchor, den ich nur wegen der daraus grundsätzlich resultierenden Eins in Musik besucht habe, nicht etwa, weil ich singen kann. Außerdem ziehe ich eine Karriere als Fahnenschwenkerin im Schützenverein der St. Sebastianus Bruderschaft Willich 1475 eV in Betracht, so leicht wabert die mir in die Hand gedrückte, dreifarbige Flagge über die Köpfe der vor und hinter mir Stehenden.
In der Pause gibt’s Bratwurst und Fachgesimpel, die sich in meinem Zustand wie schillernste Liebeslyrik in meinem linken, nicht von der Vuvu geblendeten Gehörgang anfühlen. Das ist es …Fühlen. Fußball fühlt sich auf einmal genau richtig an!
Das Fahrrad schiebt sich luftigleicht nach Hause; den schwarz-rot-goldenen Lei wickele ich um den Lenker. Die Fangesänge vom Autokoro am Esso-Kreisverkehr wiegen mich in den Schlaf und ich beschließe, am nächsten Tag Zitronen und Tequila in den Einkaufskorb zu packen.
Manchmal verstehe ich doch was vom Fußball, also vom Fußballfeiern jedenfalls.

2 Antworten auf „Tore & Tequila“

  1. Fläschle, ich kann's sogar verstehen ;-). Allerdings bin ich beim Rudelgucken ja eher Fußball-konform: mitsingen, Fähnchen schwenken und die La-Ola-Welle in Perfektion. Reden muss ich da eigentlich nicht 😉

  2. Witzig-spritzig geschrieben.
    Allerdings weiß ich eins: obwohl du meine Freundin bist, würde ich dich nie, nie, nie mit in den Block nehmen!
    ;-))))

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