Frau Steffen und das Fliwatüüt (3)

Immer noch Tag 1

Nachdem ich also ausreichend gefahren bin und gesungen hatte, schoss ich Fotos mit dem Handy und versandte sie an alle möglichen Freunde, auf dass sie grün vor Neid werden konnten. Wurden sie nicht. Sie freuten sich einfach mit mir! Was mich wiederum freute. 

Anschließend ließ ich jedem, der Interesse hatte, eine kleine Probefahrt zuteil werden – als Beifahrer versteht sich.
Eine Nachbarin kam vorbei: „Ich habe mal Eure gelbe Tonne mitgebracht, aber eigentlich wollte ich nur Dein neues Auto bestaunen.“ Sie war hin und weg und schickte sofort den Gatten zum Gucken, damit er sich darauf einstimmen könne, welches Auto dann als nächstes angeschafft werden solle.

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Frau Steffen und das Fliwatüüt (2) 

Lack & Leder

 

Tag 1– Abholtermin 10.01.2014, 14.00 Uhr – Bis es soweit war haben die heißen Kohlen unter meinem Allerwertesten das Büro für den Rest der Wintersaison erwärmt. 
Als ich Punkt 14.00 Uhr um die Ecke fuhr, stand der Wagen für alle gut sichtbar mitten vor den Schaufenstern und der einzige Gedanke, der mich ab diesem Zeitpunkt nur noch erfasste war „Meins, meins, meins“ und danach „Fahren, fahren, faaaahren!“ Der Verkäufer hatte es nicht leicht mit mir, denn während er seine erhebliche Kompetenz darauf verwendete, mir diese und jene technischen Feinheiten, Raffinessen und auch „Don’ts, Never Ever und Finger weg, Frau Steffen“ erklärte, gingen meine Hände auf Wanderschaft, rund ums Lenkrad vorbei über die lackierten Innenflächen und wieder zurück, mit den Fingerspitzen die Konturen vom Blinkerhebel nachgezogen, bis zum Radio geglitten und von da vorsichtig mit dem Zeigefinger den Schalthebel umrundet. Immer wieder! 

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Frau Steffen und das Fliwatüüt (1) 

Tag X:Ich hege Leidenschaften. Zum Beispiel für Schokolade, für knackige Männerhintern und für Lack und Leder. Nicht in dieser Reihenfolge und letzteres auch erst seit Kurzem. Manche Affinitäten entwickeln sich halt erst im Alter, im fortgesetzten sozusagen. Und das kam so. Ich war auf der Suche nach einem Ersatz. Ersatz für mein treues Wägelchen, das mich 12 Jahre lang unermüdlich und zuverlässig durch halb Europa geschaukelt hat, am meisten allerdings durch die Niederungen rund um den Rhein. So langsam entwickelte das Schätzeken ein paar Altersallüren. Mal knackte es hier, mal da, der Stellmotor für die Klimaanlage links verweigerte im Laufe des letzten Sommers so ganz seinen Dienst. Die Delle rechts hinten schien von selber Falten zu werfen und an der Ampel kam die Kiste so langsam aus dem Kreuz wie ich selbst morgens aus den Federn. Zeit sich zu trennen, so leid es mir auch tat. „Frau Steffen und das Fliwatüüt (1) “ weiterlesen

Der Ehekrach

 

Zwischen zwei Zwetschgenzweigen …

 

Es war die Ruhe nach dem Sturm. Meine Welt hielt gerade inne und ich beschloss es ihr gleich zu tun. 

 

Die leichte Brise kühlte das schwarze Tuch des Trampolins auf dem ich rücklings lag und die Sonne entschied sich rauszukommen und meine Haut zu streicheln. Über mir in der Kastanie zwitscherten die Vögel und ich war drauf und dran, wegzudösen als sich die Stimmung im Baum über mir änderte. 

 

Aus dem Zwitschern wurde ein Zetern und prompt fiel ein kleiner Zweig auf meinen Bauch. Ich drehte mich auf die Seite, als ein weiterer Zweig folgte und ein Blatt hinterher segelte. Im Blätterdach wurde es zunehmend lauter und ein Ast begann verdächtig zu zittern. Das Zetern wurde schriller und in kurzen Abständen von klopfenden Geräuschen unterbrochen, die an Schnelligkeit zunahmen. Ich riskierte ein Blinzeln gegen das Licht. 

Eine noch stachelige Kastanie ploppte aufs Trampolin.

 

Alle Achtung, im Wipfel war ein mordsmäßiger Streit im Gange. In hohem Bogen flog weiteres Zeug aus dem Grün und der Lärm schwoll an. Die nahmen da oben das Nest auseinander. Aber sowas von. Ich hörte genauer hin.

Bist Du etwa gerade gegen meine Laptoptasche gerannt?“  

 

„Was heißt hier gerannt? Drüber gestolpert. Ich hätte mir alle Gräten brechen können. Dass die auch immer im Flur im Weg steht. Herrschaftszeiten!“  

 

„Das hat mit der Tasche nix zu tun, sondern bloß mit Deinen blöden Stöckelschuhen.“ 

 

„Wie bitte? Jetzt liegt es also an meinen Schuhen, dass Du tagtäglich zu faul bist Deine Laptop-Tasche wegzuräumen und jedermann fast drüberfällt.“ 

 

„Natürlich liegt das an Deinen hohen Haken. Konzipiert fürs Stolpern sozusagen.“ 

 

„Ich kann also auf den Schuhen nicht laufen. Willst Du mir das damit sagen? Ich kann also auf hohen Schuhen nicht laufen und sehe damit aus wie ein Trampel? Richtig? Nicht zu fassen! Auf Manolos schwebt man! Schon mal gehört? MANOLOS! Maaaaannnnooooloooooos!“ 

 

„Nur weil sie teuer sind, heißt das nicht, dass man auch drauf laufen kann.“ 

 

„Ach, zu teuer sind sie also auch. Was Du  nicht sagst! Ist Dir bewusst, dass ich meine Schuhe, ALLE MEINE SCHUHE, von meinem Geld bezahlen kann? Ich verdiene nämlich auch was dazu? Schon vergessen?“ 

 

Aus dem Nest über mir segelt ein wenig abgestorbenes Gras. Das passt. Ohne Moos nix los. 

 

„Wie könnte ich, wo Du doch so gestresst bist in letzter Zeit.“ 

 

„Gestresst? GESTRESST? Weißt Du, was mich stresst? Wenn jemand ganz Bestimmtes ständig seine blöde Laptoptasche in den Flur schmeißt und ich mir deswegen fast die Hacken breche.“ 

 

RUHE! Nein, STILLE! Ach was, TOTENSTILLE! 

 

Also entweder habe ich jetzt gleich eine Vogelleiche auf dem Trampolin oder die bekriegen sich wieder. 

 

„Menno!“ 

 

„Wie, menno?“ 

 

„Ist doch doof, dass wir uns wegen sowas anne Köppe kriegen!“

 

„Ja, sehr doof.“ 

 

„Aber Laptoptaschen mitten im Flur sind auch doof. Kannst Du die nicht mal wegräumen, wenn Du nach Hause kommst?“ 

 

„Aber ich brauche die doch morgens sofort wieder.“ 

 

„Aber in der Zwischenzeit wäre es schön, wenn Du sie wenigstens an die Seite stellst.“ 

 

„Na gut, wenn Dir das so wichtig ist.“ 

 

„Ist es!“ 

 

„Mir auch!“ 

 

„Was???“ 

 

„Du!“ 

 

„Oh.“

 

„Und übrigens, diese Manolos, die sind schon schick.“ 

 

„Ach ja?“ 

 

„Und sie stehen Dir gut.“ 

 

„Wirklich?“ 

 

„Ja sehr. Ich finde sie richtig scharf.“

 

„Schön.“ 

 

„Und Dich auch. Komm mal her.“

 

„Soll ich sie anbehalten.“

 

„Ja!“ 

 

Tschlip tschlip, zwitscher, zwitscher, schnäbel, schnäbel, turtel, turtel!

 

Ich werde nicht mehr! Über mir und damit praktisch vor den Augen aller Versöhnungsgevögel. Im wahrsten Sinne des Wortes. 

 

Normalerweise finde ich deutsche Sprichwörter ziemlich fade. Jetzt aber passt eines wirklich gut: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte! 

 

Text und Foto: ©Andrea Steffen

Der Klodeckel-Dozent

Begegnungen sind freiwillig. Oder auch nicht. Diese war freiwillig. Deshalb kann ich mich nicht beschweren. 

 

Zu beschwert war offensichtlich aber unser vor nicht allzu langer Zeit neu erworbener Toilettendeckel. Die Reklamation gestaltete sich 10-mailig und 6-telefonatig schwierig nach dem Motto „Da ich nicht weiß, was die Ursache für die defekten Toilettensitzdeckelpuffer ist, kann ich Ihnen leider auch keinen kostenlosen Ersatz liefern.“  

 

Ich lege Wert auf höflichen Umgang und Sachlichkeit. Aber irgendwann hatte ich den Papp auf! Und zwar so richtig! 

 

Kennen Sie Frauen, wenn sie giften? Wenn die Stimme zwei Oktaven über normal null ansetzt und sich tief in die Ohrwindung des Gegenübers schrillt? Ich hasse solche Stimmen. Leider war es an der Zeit, sie selber einzusetzen, § 438 BGB zu zitieren und das Wort „Rechtsanwältin“ ins Spiel zu bringen.  

 

Zwei Tage später stand ein Mitarbeiter eines bekannten Keramikherstellers vor der Tür.  

 

„Die Puffer Ihres Toilettensitzdeckels sind geborsten.“  

 

„Richtig!“ Der Mann war ein Schnellmerker.  „Sagen Sie mal, setzen Sie sich etwa auf den Toilettendeckel?“ 

 

HALLO? „Selbstverständlich setze ich mich auf den Toilettendeckel. Was glauben Sie was passiert, wenn ich mir morgens den rechten Fuß auf dem linken Bein hüpfend eincremen würde, mit dem anderen schon eingecremten Fuß auf den Fliesen abrutsche, mit dem Kopf gegen die Badewannenkante pralle und beim Festhalten noch die beiden Handtuchhalter abreiße? Dann das ganze Blut, der ausgerenkte Lendenwirbel, die Prellung des Oberschenkels und der lockere Schneidezahn? Man müsste den Krankenwagen rufen. Und weil das Kind dann nicht ins Bad kann, kommt es direkt zu spät zur Schule. Das gibt wieder einen Strich. Hatten Sie früher viele Striche im Klassenbuch? Sowas will doch kein Mensch!“ 

Der Keramikfachabteilungsaußendienstmitarbeiter schaut mich an. Lange. Ein Punkt für mich. Glaube ich.

 

„Dann ist ja alles klar.“ Der Mann gibt sich unbeeindruckt. Ein Punkt für ihn.

 

„Was ist klar?“ 

 

„Dass die Puffer defekt sind. Man darf sich nämlich nicht auf den Toilettendeckel setzen. Setzen Sie sich nie auf einen Toilettendeckel! Sie glauben nicht, was das für Verletzungen geben kann. Ich habe sowas schon gesehen und das sah nicht schön aus.“ 

 

Ach Du heiliger Strohsack. Der Mann hat also schon Sachen gesehen, die ich weder sehen, noch mir vorstellen, noch selber erleben möchte. 

 

„Hörsenma, das gibt’s doch gar nicht, dass man sich nicht auf einen Klodeckel setzen soll. Das macht jeder und wenn es nur für den kurzen Badezimmersmalltalk ist. Und außerdem legt man ja wohl ein Handtuch unter, oder?“ 

 

Und auch das gibt’s doch gar nicht. Ich lasse mich mit Mr. Klo-Profi doch wirklich auf eine Diskussion ein, was man darf und wenn ja wie. Gleich diskutiere ich mit ihm noch die perfekte Haltung beim Fußnägellackieren. Ich hab‘ se doch nicht mehr alle. Der soll den Deckel austauschen und gut ist. Aber so einfach komme ich nicht davon.

 

„Ich rate Ihnen wirklich dringend davon ab, sich auf einen Klodeckel zu setzen. In Europa gibt es mittlerweile nur noch zwei Lieferanten von Kunststoffdeckeln und Vollholzdeckel werden per se nicht mehr hergestellt. Auf die kann man sich setzen. Nicht aber auf die in Europa fabrizierten.“ 

 

„Auf Sardinien gibt’s noch Vollholzdeckel.“ 

 

„Dann müssen Sie auswandern.“ 

 

Mir reicht’s. Ich bitte Herrn Dr. W.C. Spülung den mitgebrachten Sitz auszutauschen. Mein Tag ist noch lang und ich wollte mir an sich gleich noch die Fußnägel lackieren, auf dem Toilettendeckel sitzend. Aber das verrate ich ihm nicht. 

 

Der Mann geht ans Werk, professionell. Zumindest kniet er mal nieder. Wenigstens diese Geste als kleines Entgegenkommen für die vielen Mails, Telefonate und ungewollten Klositztechnikbelehrungen lasse ich mir gefallen. 

 

„Und mit was reinigen Sie Ihr WC denn so?“

 

Wie ich derartige Fragen hasse. Das geht den Kerl doch sowas von gar nichts an.  

 

„Wieso?“ 

 

„Schauen Sie doch mal hier. Hier setzt sich so langsam ein hellgelber Rand ab. Das kommt davon, wenn man nach dem Reinigen den Deckel wieder zuklappt. Die Dämpfe des Reinigungsmittels steigen auf und setzen sich langsam auf dem Kunststoff fest. Ich schätze Sie reinigen mit Essigreiniger.“ 

 

Eines muss ich sagen. Der Kerl hat’s drauf.  

 

„Also, nach dem Reinigen das Klo erst mal lüften. Und die Scharniere, die dürfen Sie aber auf gar keinen Fall mit Essigreiniger putzen. Das lässt sie langsam korrodieren. Sehen Sie hier. Er zeigt mir nach der Demontage einen grünen Rand UNTER den Scharnieren. Da dürfen Sie nur mit milder Seifenlauge dran. Und nehmen Sie ja nie etwas, was aufgesprüht wird. Das muss immer mit ganz viel Wasser abgebraust werden, sonst zerfrisst es die Scharniere von innen. Und Sie brauchen was gegen Bakterien, aber das wissen Sie ja.“ 

 

Weiß ich nicht. Ein regelmäßig geputztes Klo braucht kein kill-all-keims. 

 

Ich lasse ihn dozieren. Er hat ja sicherlich recht. Er kennt sich aus und das Klo ist sein Ding. Meins nicht, außer zum Sitzen.  

 

Er schraubt und rückt und spült und lässt den Deckel auf- und zuploppen. Dann besieht er sich sein Werk. Perfekt. Muss man ihm lassen. Und so schön neu.  

 

„Und am besten stellen Sie sich dann demnächst hier ein einen Badezimmerhocker hin, auf den Sie sich setzen können.“ 

 

Der Mann ist voller Ideen. Klasse! 

 

Ich unterschreibe ihm seinen Laufzettel, wünsche gute Fahrt und bedanke mich artig. 

 

Dann atme ich auf. 

 

Als ich wieder nach oben komme, sehe ich wie unser Kater mit einem geschmeidigen Satz auf das WC springt. Er setzt sich, dreht sich zu mir und guckt kokett. 

Und damit ist Sitzen beschlossene Sache!

 

 

Text und Fotos: ©Andrea Steffen

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