Frau Steffen und das Fliwatüüt (5)

Immer noch Tag 2 – Durch so eine kleine Episode wie die Sache mit dem Heckscheibenwischer lasse ich mich doch nicht entmutigen. Es stand die längere, also sowas wie zweite Jungfernfahrt an: 300 km am Stück bis Ladenburg bei Heidelberg. 

Es dauerte auch nur 100 km bis ich dann endlich mal die optimale Sitzposition gefunden hatte. Ein ständiges Vor- und Zurückrücken, Aufstellen und Absenken der Rückenlehne, Verstellen der Lordose-Verstärkung und des Hoch-Runter-und Heranziehens der Lenksäule und optimales Einstellen des automatisch von ganz alleine sich selbst abblendenden Rückspiegels braucht eben seine Zeit. 
Ich möchte betonen, dass der Beifahrer nicht wahnsinnig wurde. Er rettete sich in den Schlaf.

Der Rest war cool. Rechts ist bekanntlich der Straßenbelag weitaus schlechter aufgrund der vielen LKWs: Huckel, Dellen, Schlaglöcher und Flickwerk. Ich beschloss auf der linken Seite zu fahren, erst mal piano mit 80 km/h. Einem Kind, das gerade anfängt zu laufen, schmeißt man schließlich auch keine Bauklötze vor die Füße. Allerdings musste ich feststellen, dass viele Fahrer weit weniger entspannt waren als ich. Sie setzten den linken Blinker (was soll das, habe ich auch!), betätigen die Lichthupe und überholen einfach rechts. 

 

Zwischenzeitlich wachte der Beifahrer auf und holte eine Packung Kekse hervor. In solchen Fällen habe ich eine erstaunlich schnelle Reaktion für mein Alter. Kaum hatte mein rechtes Auge die Kekspackung optisch erfasst, flog sie auch schon aus dem Fahrerfenster. Ich fand Ablauf und Bewegung unglaublich behände und elegant, dem Fahrzeug entsprechend. Ich war alleine mit meiner Meinung.

 

Um von diesem Manöver ein wenig abzulenken und den Beifahrer vom Aussteigen bei mittlerweile 130 km/h abzuhalten, drehte ich die Anlage hoch. Mucke statt Keks. Sitztanz und Stimmbandtraining statt Kalorien. Funktioniert hervorragend.

 

Das ging solange gut, bis wir von der Autobahn abfuhren. Die Straßen oder besser Gässchen von Ladenburg sind eng und schmal. Folglich mussten sowohl Fahrerin und Beifahrer zeitweilig den Kopf aus dem Seitenfenster hängen, um abzuschätzen, ob man ohne Kollision weiterfahren könne oder eben doch besser direkt auf der Straße parke.

Apropos Parken: das geht hervorragend. Ich nehme entweder zwei Parkplätze, einen LKW-, Bus- oder Wohnmobilparkplatz. Alles total entspannt.

Der Wendekreis des Beetle beträgt nur 10 m. Das ist wahnsinnig klein und Beifahrern wird schwindelig, wenn man diesen kleinen Wendekreis ca. 20 x hintereinander auf dem Riesenparkplatz vom real ausprobiert. 
Weiß übrigens jemand, wo man diese Flugzeug-Kotztüten bestellen kann?

 

Text und Fotos: ©Andrea Steffen
Fortsetzung folgt

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Frau Steffen und das Fliwatüüt (4) 

Tag 2– Das Kind erhellte meinen Morgen mit der Aussage „Alter, siehst Du fertig aus!!!“, woraufhin ich lapidar antwortete „Eine Nacht im Auto ist halt nun mal kalt und hart.“ 
Nachdem ich mittels einer heißen Dusche meine Knochen wieder entgrätet hatte, fuhr ich Brötchen holen, d.h. ich wollte.  

Die Heckscheibe war mit Tau benetzt. Für sowas hat man einen Heckscheibenwischer. Die Frage ist nur, wie man ihn bedient. Ich schnipste, drückte, presste, klickte, tippte den rechten Hebel neben dem Lenkrad in alle Richtungen. Was sich nicht rührte war der Heckscheibenwischer. Aber wozu gibt es Betriebsanleitungen?

Da war was zu lesen von „Off“, „On“, „High“, „Low“, Tippwischen (vermutlich tip washing), Wisch-Wasch-Automatik (hat die Waschmaschine auch, oder?), Intervallschaltung, beheizbare Scheibenwischerdüsen und der Empfindlichkeit des Regen-Lichtsensors gefolgt vom Austausch der Frontscheibenwischblätter. Und dann folgt ein Kapital über die automatische Abblend-Dingens-Bummens vom Rückspiegel.
Fein! Und wo bitte steht was über den Heckscheibenwischer? Nirgends.

 

Der Beetle hat nämlich keinen.

 

Ich lief die 100 m zum Bäcker.
Ganz ohne Heckscheibenwischer

 

Text und Foto: ©Andrea Steffen

 

Fortsetzung folgt

 

Frau Steffen und das Fliwatüüt (3)

Immer noch Tag 1

Nachdem ich also ausreichend gefahren bin und gesungen hatte, schoss ich Fotos mit dem Handy und versandte sie an alle möglichen Freunde, auf dass sie grün vor Neid werden konnten. Wurden sie nicht. Sie freuten sich einfach mit mir! Was mich wiederum freute. 

Anschließend ließ ich jedem, der Interesse hatte, eine kleine Probefahrt zuteil werden – als Beifahrer versteht sich.
Eine Nachbarin kam vorbei: „Ich habe mal Eure gelbe Tonne mitgebracht, aber eigentlich wollte ich nur Dein neues Auto bestaunen.“ Sie war hin und weg und schickte sofort den Gatten zum Gucken, damit er sich darauf einstimmen könne, welches Auto dann als nächstes angeschafft werden solle.

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Frau Steffen und das Fliwatüüt (2) 

Lack & Leder

 

Tag 1– Abholtermin 10.01.2014, 14.00 Uhr – Bis es soweit war haben die heißen Kohlen unter meinem Allerwertesten das Büro für den Rest der Wintersaison erwärmt. 
Als ich Punkt 14.00 Uhr um die Ecke fuhr, stand der Wagen für alle gut sichtbar mitten vor den Schaufenstern und der einzige Gedanke, der mich ab diesem Zeitpunkt nur noch erfasste war „Meins, meins, meins“ und danach „Fahren, fahren, faaaahren!“ Der Verkäufer hatte es nicht leicht mit mir, denn während er seine erhebliche Kompetenz darauf verwendete, mir diese und jene technischen Feinheiten, Raffinessen und auch „Don’ts, Never Ever und Finger weg, Frau Steffen“ erklärte, gingen meine Hände auf Wanderschaft, rund ums Lenkrad vorbei über die lackierten Innenflächen und wieder zurück, mit den Fingerspitzen die Konturen vom Blinkerhebel nachgezogen, bis zum Radio geglitten und von da vorsichtig mit dem Zeigefinger den Schalthebel umrundet. Immer wieder! 

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Frau Steffen und das Fliwatüüt (1) 

Tag X:Ich hege Leidenschaften. Zum Beispiel für Schokolade, für knackige Männerhintern und für Lack und Leder. Nicht in dieser Reihenfolge und letzteres auch erst seit Kurzem. Manche Affinitäten entwickeln sich halt erst im Alter, im fortgesetzten sozusagen. Und das kam so. Ich war auf der Suche nach einem Ersatz. Ersatz für mein treues Wägelchen, das mich 12 Jahre lang unermüdlich und zuverlässig durch halb Europa geschaukelt hat, am meisten allerdings durch die Niederungen rund um den Rhein. So langsam entwickelte das Schätzeken ein paar Altersallüren. Mal knackte es hier, mal da, der Stellmotor für die Klimaanlage links verweigerte im Laufe des letzten Sommers so ganz seinen Dienst. Die Delle rechts hinten schien von selber Falten zu werfen und an der Ampel kam die Kiste so langsam aus dem Kreuz wie ich selbst morgens aus den Federn. Zeit sich zu trennen, so leid es mir auch tat. „Frau Steffen und das Fliwatüüt (1) “ weiterlesen