Knut, Kiesewetter und Karl-Heinz

v.l. Karl-Heinz, Kiesewetter und Knut

Eines ist klar. Ich bin ein Katzenmensch. Nicht, dass ich andere Viecher nicht auch mögen würde. Aber Fische zum Beispiel, die sagen mir so gar nichts. Sie miauen nicht, springen mir nicht auf den Schoß und lassen sich auch nicht streicheln.

Sie schmecken allerdings gut, insbesondere mariniert vom Grill, frisch aus der Pfanne oder leicht in Weißwein gedünstet. Aber lebend kann ich nichts mit ihnen anfangen, vielleicht auch weil sie in dieser Form Katzenfutter darstellen.

Jetzt ist es aber so, dass im Urlaub vieles anders ist. In unserem kleinen, feinen, 14-tägigen Refugium in Honfleur gibt es einen Teich. Mit drei Kois. Die sollen wir füttern, immer abends und je Koi so an die 10 Perlen Fischfutter.

Jau, wird gemacht, denke ich mir so – allerdings ohne große Begeisterung. Und dann füttere ich sie am ersten Abend. Die drei kommen direkt angeschwommen, öffnen hektisch ihre runden Fischmäuler, schnappen damit und gucken. Also die gucken mich direkt an! Kein Scherz.

Home of the Kois

Dann stürzen sie sich auf das ins Teichwasser geworfene Fischfutter, werden plötzlich im Wasser ganz zappelig und … also ehrlich Leute, die sind echt begeistert, dass ich da stehe und sie füttere. Die grinsen mich an … und wollen mehr. Kann ich genau sehen.

Am nächsten Abend rappel ich direkt mit der Fischfutterdose und siehe da… schwupps sind sie da und ich freue mich wie Bolle. Bin ich bekloppt? Fische? Ich mich freuen? Über tumbe Kois? Muss am Calvados liegen. Ich sollte die Finger davon lassen.

Chilliges Plätzchen zur Koi-Beobachtung

Am nächsten Tag verbringe ich viel Zeit im vermutlich schönsten Vintage-Klappstuhl aller Zeiten direkt neben dem Teich. Ich trinke Kaffee und will eigentlich lesen. Aber die Kois ziehe meine Aufmerksamkeit auf sich.

Die schwimmen nicht nur so ein bisschen rum. Die tauchen langsam aus der Tiefe (ein Meter!!!) auf, schwimmen an den Rand und gucken raus. Die sind neugierig. Sie drehen ihre Kreise, spielen Verstecken unter den Rosenblättern, nagen am Beckenrand und tauchen immer wieder auf, um sich zu vergewissern, ob ich noch da bin. Ich dachte Fische sind doof. Aufmerksamkeitspanne von 9 Sekunden. Die aber irgendwie nicht.

Kiesewetter spielt Verstecken

Der größte ist hellgelb. Er gibt den Ton an. Ich taufe ihn Kurt. Der mittlere hat eine Zeichnung, wie man sie sich bei einem Koi vorstellt, also orange und blau und schwarz und grau gefleckt. Er bekommt den Namen Kiesewetter. Der Name war da, weil er eben zum Kurt gehört. Die beiden sind ziemlich eng. Ich glaube, ich kann das beurteilen.

Der kleinste und im Übrigen verfressendste Koi ist weiß und ganz schön frech. Er ist immer hinter den anderen beiden her, stubst sie mit der Nase (ja, es heißt Fischnase, habe ich gegoogelt!), taucht unter ihnen durch, versperrt ihnen den Weg. Genauso wie mein früherer Nachbar Karl-Heinz! Der hat auch genervt.

Was soll ich sagen? Mittlerweile finde ich die richtig schön. Knut, sonnengelb, kräftig, mit wachem Blick. Kiesewetter, bunt, angepasst, ein Fisch der Harmonie. Und Karl-Heinz, in unschuldigem Weiß treibt er es richtig bunt. HACH!

Und so sitze ich da im Liegestuhl und betrachte das Treiben der Kois. Mir wird nicht langweilig dabei. Im Gegenteil, ich entdecke immer wieder was Neues an den Viechern. Sie schwimmen zum Beispiel rückwärts. Dann wieder sieht es so aus, als würden sie sich gegenseitig Wasser mit den Flossen zufächeln. Karl-Heinz hat mir sogar mal mit der linken Flosse regelrecht zugewunken. Der will gut Wetter bei mir machen. Schließlich bin ich die mit dem Fischfutter.

Und ich spüre, dass es mich unglaublich entspannt, einfach da zu sitzen und den drei Gespielen zuzuschauen. Die Zeit tröpfelt. Koigucken hat was Meditatives.

Und ob ihr es glaubt oder nicht: Am Abend nach der Fütterung schwimmen die drei mit ihren Köpfen aufeinander zu und bilden ein perfektes dreiblättriges Blütenmuster, um dann rückwärts vollkommen synchron wieder auseinander zu driften und in einem Schwung abzutauchen. Synchronschwimmende Kois, qualifiziert für Olympia!

Formationsschwimmen!

HAMMER!

Wenn ich jetzt noch mehr Zeit hier hätte, dann würden die auch bestimmt über die quer auf dem Teich liegenden Stöcke springen. Wetten?

Blick vom Mont Joli auf Honfleur

Und am Ende des Tages, wenn die Sonne langsam hinter dem Mont-Joli verschwindet und die Chapelle Notre-Dame de Grâce ihr melodisches Glockengeläut ins Tal schickt, dann denke ich so bei mir: „Ein Leben ohne Kois ist möglich, aber sinnlos“.

Text und Fotos: ©Andrea Steffen